APRIL.Argumente.Stadtfinanzen

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Die finanzielle Situation der Stadt Leipzig

OBM Jung im Leipziger Amtsblatt, 15.09.2007: Die Verschuldung der Stadt belastet uns jährlich mit Zinsausgaben von 40 Millionen Euro - eine gewaltige Summe, mit der aber noch kein Euro getilgt ist! Wir müssen also den Haushalt nachhaltig entschulden. Das ist unverzichtbar, um die Handlungs- und Investitionsfähigkeit der Stadt zurückzugewinnen. Ein Blick auf die Situation unserer Kitas, Schulen, Brücken und Straßen macht das sehr schnell klar. Wir brauchen hier dringend Investitionsmittel, um die zum Teil schlechten Verhältnisse spürbar zu verbessern.

Inzwischen hat die SPD ein Konzept vorgelegt, wie sie die zu erwartenden Einnahmen aus dem Anteilsverkauf von etwa 350 Mill. Euro verteilen will: 244 Mill. Euro sollen direkt in den Stadthaushalt fließen. Dies ist der Rest des Gesellschafterdarlehens, welches die Stadt der LVV zu deren Gründung gewährt hat, womit die LVV künftig 13 Mill. Euro Zinszahlungen pro Jahr spart (die im Gegenzug als Einnahmen auf Seiten der Stadt entfallen). Alles, was darüber hinaus als Erlös erzielt wird, soll die LVV zur Entschuldung oder für Investitionen behalten. Von den 244 Mill. Euro sollen 112 Mill. Euro direkt in die Schuldentilgung fließen, mit weiteren 30 bis 60 Mill. Euro soll bis 2009 das in den vergangenen Jahren aufgelaufene strukturelle Haushaltsdefizit ausgeglichen werden. Die verbleibenden 70 Mill. Euro sollen zum Abbau des Investitionsstaus vor allem in den Bereichen Schul- und Kindertagesstätten, die Stadtteilsanierung und Infrastrukturförderung zur Unternehmensansiedlung gesteckt werden. Durch Fördermittel ließe sich jeder städtische Euro in diesen Bereichen verdreifachen. 2007 investiert Leipzig 6.5 Mill. Euro in Kindertagesstätten, der Bedarf liegt bei 58 Mill. Euro. Im Schulbereich sind 156 Mill. Euro nötig. Auch für weitere Unternehmensansiedlungen wird eine strategische Reserve benötigt. (Quelle: LVZ, 18.09.2007)

Argumente und Hintergründe

Zur sehr durchwachsenen finanziellen Situation der Stadt Leipzig, ihren Finanzierungsmodellen, Schulden und den Quellen derselben siehe APRIL.Stadthaushalt.

Im Zuge des Anteilsverkaufs, dessen Erlös vollständig an den Eigentümer der SWL, also die LVV und nicht die Stadt Leipzig geht, sollen 244 Mill. Euro im Stadtsäckel landen. Dieser Betrag soll - nach den detailliert dargelegten Vorstellungen der SPD - zur Schuldentilgung sowie zum Abbau des Investitionsstaus eingesetzt werden.

Bei diesen 244 Mill. Euro handelt es sich um einen großen Teil des Darlehens in Höhe von 283,5 Mill. Euro, welches die Stadt Leipzig der LVV bei deren Gründung im Jahre 1997 für den Kauf der Anteile an SWL und KWL zur Verfügung gestellt hat. Das Darlehen ist mit 6% verzinst und tilgungsfrei, was (nominal) einen jährlichen Transfer von 17 Mill. Euro aus der LVV an die Stadt generiert. Die bisherigen Transferzahlungen der LVV an die Stadt lagen stets deutlich darunter; um einen entsprechenden Prüfbericht gibt es seit Jahren ein Tauziehen im Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrats. (Quelle: LVZ, 11.12.2006) Siehe auch LVV.

Derzeit werden die Zinsen auf das Darlehen in der Höhe der Überschüsse bedient, welche bei der LVV nach Gewinnabführung von SWL und KWL und Verlustausgleich der LVB bei der LVV verbleiben - zuletzt 13 Mill. Euro.

Ein Geldzufluss in Höhe von 244 Mill. Euro aus der LVV in das Stadtsäckel könnte auch generiert werden, indem die LVV das städtische Darlehen durch ein Bankdarlehen in derselben Höhe ablöst. Die Zinsen in Höhe von 13 Mill. Euro gingen dann an die Bank, hätten also keine Auswirkungen auf die operative Bilanz der LVV. Ein solches Darlehen, was einem Zinssatz von 5,3% entspricht, kann ein Unternehmen wie die LVV am Kapitalmarkt derzeit leicht aushandeln. Ein solcher Vorschlag liegt seit Anfang 2006 auf dem Tisch, siehe etwa die Stellungnahme der Stadtratsfraktion der Grünen vom September 2006.

Aus städtischer Sicht würde in beiden Varianten der Einmaleinnahme von 244 Mill. Euro ein struktureller Fehlbetrag von 13 Mill. Euro jährlich entgegenstehen, denn nach Ablösung des Darlehens sind Transfers aus der LVV in die Stadtkasse auf bisherige Weise nicht mehr möglich. Darüber lamentiert Kämmerin Kudla (CDU) bisher allein im stillen Kämmerlein.

Schlussfolgerung: Entschuldung im Umfang des SPD-Vorschlags ist auch ohne Anteilsverkauf möglich. Die positiven wie negativen Wirkungen beider Finanzierungsmodelle sind aus Sicht der Stadt dieselben.

Auch die Auswirkungen, welche der Einstieg eines strategischen Partners in die LVV-Tochter SWL innerhalb der LVV hätte, sind nur unzureichend diskutiert. Bereits in der Stellungnahme der Stadtratsfraktion der Grünen vom September 2006 wurde dargelegt, dass sich von einem Verkaufserlös überhaupt nur eine Summe in Höhe der Ablösung der Einlage der Stadt in die LVV steuerfrei in den Stadthaushalt transferieren lässt. Der Rest des Verkaufserlöses steht ohne finanzielle Einbußen nur innerhalb der LVV zur Verfügung und müsste dort auch eingesetzt werden, um bei Kapitalzufuhr durch den strategischen Investor mithalten zu können. Eine solche Kapitalzufuhr ist aber zur Erhöhung der Gewinne explizit vorgesehen. Allerdings steht dem entgegen, dass die LVV beim Rückkauf der SWL-Anteile im Jahre 2003 ein Darlehen in Höhe von 214 Mill. Euro aufgenommen hat, welches durch die SWL-Anteile besichert ist und wenigstens in Höhe von 100 Mill. Euro abgelöst werden müsste, da die entsprechende Sicherheit nach Anteilsverkauf nicht mehr in der Hand der LVV ist. Es bleibt also überhaupt kein Geld für strategische Investitionen übrig; entweder die Stadt gibt zügig weitere Anteile an den Investor oder aber sie blockiert wegen der eigenen finanziellen Engpässe eine Kapitalerhöhung und damit neue Investitionen.

Ein langfristig rundum nachteiliges Geschäft der Stadt.

Unsere Fragen

  • Warum wird kein nachhaltiges Entschuldungskonzept untersucht, bei dem nicht von der Substanz zurückgezahlt wird?
  • Verlangt das Regierungspräsidium den Verkauf der kommunalen Daseinsvorsorge - und wenn ja, auf welcher Grundlage? Warum muss man sich dem neoliberalen Dogma beugen?
  • Welche Auswirkungen hat ein Anteilsverkauf auf die Tilgung der Schulden aus dem zweiten Anteilsrückkauf?
  • Wie dramatisch ist die Haushaltssituation von Leipzig wirklich?
  • Wie sieht die Haushaltssituation in den sächsischen Großstädten insgesamt aus?
    • Leipzig hat seit vielen Jahren einen leicht defizitären Haushalt, was sich zu der bekannten Verschuldungssumme aufaddiert hat.
    • Dresden und Chemnitz haben weitgehend ausgeglichene Haushalte.
  • Welche Alternativen zur Erlöserzielung und Haushaltssanierung gibt es?
    • Verkauf von Anteilen an die Leipziger Bürgerschaft
    • Kauf städtischen Vermögens durch LVV oder Tochterunternehmen
    • Fusion/Auskauf SWL durch KWL oder umgekehrt
    • Ablösung von Gesellschafterdarlehen der Stadt durch Bankdarlehen oder Fremdkapital
    • Umschulden alter, hochzinslicher Kredite
  • Was ist mit dem Darlehen der LVV über 200 Mill. Euro, welches zum Rückkauf der SWL-Anteile im Jahre 2003 aufgenommen wurde? Ist dieses nicht bei einem Anteilsverkauf vorranging wenigstens in Höhe der verkauften Anteile anzulösen? Warum fehlt das in der öffentlichen Rechnung der SPD?