WAK:2006-11-28

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Max Stirners Präanarchismus und seine Wirkungen, zum 200. Geburtstag.
mit Kurt W. Fleming (Leipzig)
Veranstaltung des Philosophischen Arbeitskreises der RLS Sachsen
28. November 2006, 18:00 Uhr, Harkortstraße 10

Bericht

Im Mittelpunkt der - wenigstens von uns so geplant, Details siehe http://www.hg-graebe.de/WAK-Leipzig/2006-10-18.html - dritten Veranstaltung einer Reihe "Marxismus und Psychoanalyse" stand mit Max Stirner diejenige Person, an der und dessen Werk "Der Einzige und sein Eigentum" sich Marx im dritten Teil der "Deutschen Ideologie" (MEW 3) auf über 300 Seiten reibt. Wie (Quaas 2002) genau begründet, sind es gerade die 1840er Jahre, in denen sich die philosophischen Grundlagen von Marxens Weltsicht ganz grundlegend formen, und die "Deutschen Ideologie" ist als ein gewisser Schlussstein dieser Wende hin zu einer auf tätigem Praxisverständnis gründenden Weltsicht zu betrachten.

Das mag das neu erwachende Interesse an diesem Text (siehe etwa das aktuelle Programm von WAK Berlin) motivieren, von dem heute im Wesentlichen nur noch das Feuerbach-Kapitel I erinnerlich ist, das wesentlich Marxens ökonomische Theorie prägt. Die Neuherausgabe dieses Kapitels stand bekanntlich auch am Beginn der zweiten Praxis-Diskussion in der DDR (Seidel 1966).

Es ist deshalb nur folgerichtig, auch an dieser Stelle zu "graben", wenn es um die Quellen der Begegnung von Marxismus und Psychoanalyse geht, die sich - der Argumentation (Hoevels 1983) folgend - gleich den Königskindern aus verschiedenen Gründen schwer tun zusammen zu kommen. Und wir werden fündig!

Die Bedeutung des individuellen Gebrauchs der Vernunft, und gerade auch der kritischen Vernunft, auf dem Weg aus den Gebrechen der heutigen Gesellschaftsorganisation ist nach dem weitgend lautlosen Ende realsozialistischer Alternativen deutlicher denn je (Gräbe 2005), und bei einer Refundierung marxistischer Ansätze sind gerade diese Aspekte neu zu überdenken. Kurt Fleming zeigte an diesem Abend, dass viele solche Ansätze bei Stirner bereits angelegt sind, die später in Freuds Psychoanalyse wieder aufgenommen wurden und von Marx in seiner Kontroverse mit "Sankt Max" weitgehend ignoriert, schlicht nicht verstanden oder in ihrer Tragweite nicht begriffen wurden.

Das Scharnier zwischen Psychoanalyse und Ökoanalyse, wie (Hoevels 1983) Marxens ökonomische Theorie bezeichnet, ist die Untersuchung der Bedeutung des Über-Ichs - dieses "malignen Introjekts", welches "durch Bewußtmachung seiner individuellen Genese möglichst restlos abzubauen und zu zerstören" ist (Hoevels 2001) - als Voraussetzung für ein Verständnis der Dynamik von Verhältnissen, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". (MEW 1, S. 385) Hier scheinen durchaus auch in Stirners Werk noch Schätze ihrer Wiederentdeckung zu harren, wie bereits in der Debatte zwischen Hoevels und Laska in der Zeitschrift "Der Einzige" des Max-Stirner-Archivs Leipzig im Jahre 2001 andeutet, auf welche der Referent an diesem Abend aufmerksam machte.

Literatur

  • Hans-Gert Gräbe (2005): Wissen und Bildung in der modernen Gesellschaft (Chemnitzer Thesen). Thesen zur 5. Rosa-Luxemburg-Konferenz in Sachsen, 3.-5.6.2005, Chemnitz. In: Utopie kreativ 194 (2006), S. 1109-1120. http://www.hg-graebe.de/EigeneTexte/cc-thesen.pdf
  • Fritz Erik Hoevels (1983): Marxismus, Psychoanalyse, Politik. Ahriman Verlag, Freiburg.
  • Georg Quaas (2002): Der Ausgangspunkt Marxschen Philosophierens - eine Textanalyse. In: Zum philosophischen Praxisbegriff. Die zweite Praxis-Diskussion in der DDR. Hrg. von L. Höll, H. Seidel, G. Schwendler. Texte zur Philosophie 12. Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. S. 69-93.
  • Helmut Seidel (1966): Vom praktischen und theoretischen Verhältnis der Menschen zur Wirklichkeit. In: Dt. Zeitschrift f. Philosophie 14 (1966), S. 1176-1191.