WAK.MB-Debatte.7-08-IGR
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Beitrag aus dem Mitteilungsblatt 7+8-2008 des Stadtverbands der Linkspartei
Der Leipziger Linke Horst Pawlitzky und die Jungs und Mädels von Gestern
Im Mitteilungsblatt 6/2008 der Leipziger Linken entledigt sich der Genosse Pawlitzky jeden guten Glaubens und fährt zu den Höhen der Regelwerke des Kapitalismus auf, um von oben zu betrachten, wie er daselbst als Dozent weissagt, was geschehen würde, wenn nicht...
Wenn nicht? Wenn der Mensch nicht arbeiten ginge beispielsweise, dann gäbe es auch keine Leistung, die zu verteilen sei. Recht hat er, der Genosse mit der Trompete, der uns den Marsch bläst. Und um es richtig rund zu machen, ufert er aus und holt den Joker ins Spiel, die Gewerkschaften. Sie müssen unterstützt werden, damit Leistung entsteht, entlohnt und verteilt werden kann. Auch richtig! Nun kommt es nur darauf an, den Kuchen richtig zu verteilen und da wird’s problematisch. Pawlitzky meint schon mal, Juliane Nagel sei keine richtige Empfängerin, weil sie zu Genuss aufruft und zur Verschwendung mahnt.
Und da liegt das Problem nicht nur des Genossen Pawlitzky – er kennt sich nicht aus in den Angelegenheiten, die man Freiheit nennt und so kommt es, dass er den Lebensentwurf von Juliane Nagel gar nicht verstehen kann und vollkommen übersieht, dass sie täglich viel arbeitet. Sie ist keine Tischlerin oder Polizistin, sie ist Politikerin, also ist sie nicht übersät mit Sägespänen und eine Uniform, um das Gewaltmonopol zu repräsentieren, trägt sie auch nicht. Wenn sie nun nur für sich spräche, käme das dem Genossen Pawlitzky in die Quere. Doch auch so unterbricht sie seine Geradlinigkeit, in der es heißt: „Jeder muss arbeiten, damit jeder etwas bekommt.“ Und er bringt die alte Kirche auf den Plan, die auch Müntefering schon, nur umgekehrt zitierte: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wie der „wer“ zum Nichtarbeiten kommt, wissen weder Müntefering noch Pawlitzky. Das heißt; sie wissen es schon, aber sie unterbinden es in der Darstellung, um auch nach 100 und mehr Jahren Arbeitslosigkeit das alte Lied von der Pflicht zu singen, die nicht einmal sie noch zu menschenwürdigen Umständen garantieren können. Das aber erklärt noch nicht, weshalb Pawlitzkys Gesellschaftsthese doktrinär und aus freiheitlichem Gesichtspunkt falsch ist. So, wie Leistungen verteilt werden, könnte ja auch Arbeit verteilt und deren Charakter neu definiert werden, indem einfach andere Tätigkeit, anderes Wirken in den Begriff mit aufgenommen wird, der zunächst erst einmal der kruden kapitalistischen Wertschöpfungs- und Falschverteilungslogik entspringt, dass alles, was man mit Herunterschmeißen kaputtmachen kann, das Ergebnis einer Arbeit sei. Nichtarbeit sei hingegen, was man sich freiwillig aufbürdet, also gesellschaftliches Engagement, Kunst, Singen, Tanzen – schlicht Kultur, Lesen, Schreiben, Schule, Kindergarten, Musik hören. Juliane Nagel meinte also gar nicht, dass die einen fleißig sein müssten, damit die anderen ihre Werte verschwenden, also faul sein dürften, sondern sie meinte vielleicht, dass alles Tun belohnt werden müsse, weil es gesellschaftlich verwertbar ist. Selbst Literatur, Genosse Pawlitzky, hat einen Mehrwert, der darin besteht, dass Bücher nicht gelesen, aber geschrieben werden. Mit Kaffeemaschinen ist das im Kapitalismus ähnlich.
Ingo Groepler-Roeser