WAK.2009-11-26
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- Linke Politikangebote für klein- und mittelständische Unternehmer.
- mit Dr. Frank Thiel, Magdeburg
- Veranstaltung des Rohrbacher Kreises in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen
- Moderation: Prof. Reinhold Krampitz, Magdeburg
- 26. November 2009, 17:00 Uhr, Harkortstraße 10
Ankündigung
Dr. Frank Thiel ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt der Linkspartei und seit 1996 selbstständiger Unternehmer im IT-Bereich.
Mehr zum Referenten:
- http://www.dielinke-fraktion-lsa.de/fraktion/abgeordnete/mitglieder/dr_frank_thiel
- http://www.dr-frank-thiel.de
Bericht
Nicht wenige Linke stehen freiem Unternehmertum sehr kritisch gegenüber und betrachten den notwendigerweise (auch) in der Rolle des "fungierenden Kapitalisten" auftretenden Unternehmer grundsätzlich als gesellschaftlichen Gegenspieler linker Politik. Dem steht gerade im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmer ein verbreitetes Selbstverständnis dieser Akteure als "Linke" gegenüber, was ein hohes Konfliktpotenzial für linke Politik in sich birgt, insoweit ein solcher Konflikt überhaupt wahrgenommen wird.
Ein solcher Spannungsbogen mag seine Wurzeln in einem Verständnis der kapitalistischen ökonomischen Verhältnisse als Raubverhältnis haben, das tief im traditionsmarxistischen Denken verwurzelt ist und etwa in (Ruben-98) wie folgt kritisiert wird:
- "Es ist also der Austausch unter den Bedingungen des persönlichen Privateigentums für Marx a priori nichts als aufgehobener Raub, aufgehoben unter der Voraussetzung, daß 'das Reich der physischen Kraft gebrochen' ist, und daher permanente Übervorteilung wenigstens in der persönlichen Intention der Tauschenden. Sie sind eigennützig, und folglich ist die im Tausch präsentierte Sozialität reiner Schein, die Einheit des Gebens und des Nehmens bloßes Theater, die Entäußerung mithin der Kern der Sache. Dennoch muß der Einwand gestattet sein: Wenn 'das Reich der physischen Kraft gebrochen' ist, darf dann nicht angenommen werden, daß das Phänomen der wechselseitigen Anerkennung im Tausch vom Schein zur wirklichen Erscheinung der Sozialität wird? Ist der Kaufmann notwendig die Maske des Kriegers? Oder ist er auch als der Transportarbeiter zu denken, der der Gesellschaft Verkehrswege eröffnet, ohne die sie nicht bestehen kann?".
Dieses "Verkehrswege eröffnen" unterscheidet allerdings den Unternehmer vom Transportarbeiter als Lohnarbeiter. Während letzterer sich weitgehend auf die Transportleistung als solche konzentrieren kann, steht für den Unternehmer die logistische Leistung und damit die Infrastruktur im Vordergrund, auf der allein die Leistung des Transport-Lohnarbeiters sinnvoll eingesetzt werden kann. Der Unternehmer ist damit viel unmittelbarer und fundamentaler in die praktische Reproduktion und Aufrechterhaltung funktionaler gesellschaftlicher Zusammenhänge eingebunden als der Lohnarbeiter. Gerade im Kontext der Entwicklung einer leistungsfähigen regionalen ökonomischen Infrastruktur ist die Bedeutung dieser Problemsichten und Erfahrungen für Politik überhaupt - und damit auch für linke Politik - kaum zu unterschätzen.
Mit Frank Thiel kam an diesem Abend ein Referent zu Wort, der über dieses Spannungsfeld aus langjähriger eigener Erfahrung berichten kann, und zwar als profunder Kenner beider Seiten - sowohl als aktiver Unternehmer und Geschäftsführer der "Facility Management Consulting & Development" - http://www.fmcd.eu -, als Mitglied von OWUS, dem Offenen Wirtschaftsverband der kleinen und mittelständischen Unternehmer, Freiberufler und Selbstständigen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. - http://www.owus.de -, der AG Linke UnternehmerInnen und auch als langjähriger Parlamentarier für die PDS und die Linkspartei und derzeit parlamentarischer GF der Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.
Diese lange Liste von Funktionen gibt zugleich einen Eindruck davon, in welchen komplexen Strukturen und selbstbestimmten Zusammenhängen das komplizierte Verhältnis zwischen Unternehmern und der Linken - insbesondere auch deren parlamentarischem Teil - sich bewegt und geformt wird. Besonderes Gewicht legte Frank Thiel in seinen Ausführungen auf die inzwischen 20-jährige historische Genese dieses Spannungsverhältnisses, die (zahlenmäßige und funktionale) Bedeutung von Unternehmern als politischer Zielgruppe sowie aktuelle Debatten, in denen wohlfeile linke Positionen oft im Widerspruch stehen zur Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge und Wirkmechanismen.
Die insgesamt leider sehr kurze, aber intensive Diskussion entzündete sich vor allem an den folgenden zwei Thesen:
- Alle Eigentumsformen – genossenschaftliche, kommunale, private, staatliche und andere –, die die natürlichen, sozialen und kulturellen Lebensgrundlagen entwickeln und den Zugang zu den Grundbedingungen menschlichen Lebens erleichtern, müssen gefördert, andere, die Lebensgrundlagen untergraben, vernichten und diesen Zugang erschweren oder verhindern, müssen zurückgedrängt und überwunden werden.
- Unternehmerische Gewinninteressen ist wesentlich für betriebswirtschaftliche Effizienz und Innovationen. Aber sozial-ökologische Rahmensetzung für Marktmechanismen muss verhindern, dass private Unternehmerinteressen zu volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verlustreichen Fehlentwicklungen führen.
Im Mai besteht die Möglichkeit, auf der nächsten Dahlener Tagung des Rohrbacher Kreises die Diskussion mit Frank Thiel fortzusetzen.
Hans-Gert Gräbe, 6.12.2009
Links:
- Folien zum Vortrag
- Peter Ruben: Was bleibt von Marx' ökonomischer Theorie? In: Die ökonomische Theorie von Marx - was bleibt? Reflexionen nach dem Ende des europäischen Kommunismus. Hrsg. v. C. Warnke u. G. Huber. Marburg, Metropolis Verlag 1998. S. 13 - 66. (pdf)