WAK.2005-06-22
Es geht um gesellschaftliche Veränderungen - gemeinsam.
Interview mit Enrico Stange Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes WASG Sachsen/ Pressesprecher und Ingo Groepler-Röser, WASG-Kreisverband Leipzig (Gründungsmitglieder der WASG Sachsen)
Das Gespräch führten Juliane Nagel und Rico Schubert am 22. Juni 2005.
erschienen in der OPP, Landeszeitung der PDS Sachsen
Der sächsische Landesverband der WASG hat letzten Samstag den Beschluss gefasst, erst einmal keine Bündnisse mit der PDS einzugehen. Es scheint, dass die Positionen der WASG zur PDS bis zum heutigen Tage noch nicht ganz ausdefiniert sind?
Stange: Der Bundesvorstand hat, nachdem Oskar Lafontaine am 24. Mai mit der frohen Botschaft ankam, sofort gesagt: “Ja, das machen wir.” Damit sind wir alle etwas überrannt worden. Die Basis hat dann sofort angefangen zu murren. Dementsprechend ist auch die Erklärung der Landesvorstände Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern vom 31. Mai zu verstehen: Es geht einfach nur darum, die demokratischen Spielregeln in der Partei durchzusetzen, bis man zu einer Entscheindung kommt.
Es gibt zwei Lager in der Partei, die einen sind dafür und die anderen dagegen. Und in Sachsen hat es sich beim Landesparteitag gezeigt, dass der Antrag, kein Bündnis einzugehen, mit 33 zu 17 zu 7 bestätigt wurde. Es gibt unterschiedliche Meinungen, besonders auch zwischen Ost und West. NRW ist mit dem Gedanken “Das machen wir nicht” in den Landesparteitag hineingegangen und rausgekommen mit “Wunderschön, dass wir es machen”.
Groepler-Roeser: In NRW hat Lafontaine die Antrittsrede gehalten, und insofern waren diese Meinungen schon zu erwarten.
Was sind die inhaltlichen Gründe für Euch, dem Bündnis nicht zuzustimmen? Und wie stellt Ihr euch die Entwicklung der WASG vor, wenn das Bündnis nicht kommt?
Stange: Die WASG ist gegründet worden als Sammlungsbewegung und zielt als Partei auf eine Wählerschicht ab, die von der PDS nicht erreicht wird. Somit ist die Argumentationslinie 4,9 + 4,9 = 9,8% doch ein Hund, der auf vier Pfoten hinkt.
Der Ansatz der WASG ist eigentlich das Nichtwählerpotenzial. Wir hatten in Sachsen bei den letzten Wahlen knapp 40% Nichtwähler. Wenn man davon ein Viertel oder ein Drittel wieder in das politische Leben zurückholen könnte, dann wäre ein extremer Schritt geschafft für mehr Beteiligung. Das ist der Ansatz, den die Wahlalternative hat – neben allen internen Auseinandersetzungen über programmatische Fragen, die im Moment sowieso in den Hintergrund gedrängt werden durch die Frage ‚Kommt Oskar oder kommt er nicht?' Jetzt hat er die Frage endlich beantwortet, er will also. An der Basis gibt es eher eine kognitive Übereinstimmung.
Es gibt bei uns in der Partei natürlich auch Mitglieder, die sagen, es wäre vernünftiger, zu diesen Wahlen gar nicht anzutreten. Das Argument, man würde dann aus der Öffentlichkeit verschwinden – also zumindest im historischen Kontext kann das nicht greifen. Man kommt auch mit einem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine recht schnell wieder aus den Medien und dem öffentlichen Interesse raus, wenn es entweder nicht geklappt hat oder man eben doch nicht so stark geworden ist.
Groepler-Roeser: Ich bin der WASG damals beigetreten, weil ich sie für eine widerständige Partei, für eine linke Protestpartei gehalten habe und weil ich sie als außerparlamentarische Möglichkeit in Betracht gezogen habe. Also die PDS ist bestrebt, in Parlamente reinzukommen und dort politisch zu agieren, während die WASG zu Anfang den Charme für mich hatte, eben nicht an irgendeine politische Institution gebunden zu sein. Das hat sich danach immer stärker Richtung Sozialstaatpartei entwickelt, und ich bin im Innern von der Partei abgerückt, weil ich der Auffassung bin, dass man im Kapitalismus nicht Sozialismus spielen kann.
Die Wahlalternative war für mich von Anfang an aufs Parlament ausgerichtet. Wahlalternative ist auch ganz deutlich im Namen drin. Der idealistische Politikansatz ist sehr schön, das denk ich auch, aber in einer Partei kann man das nicht haben. Eine Partei zieht auf Teilhabe an Macht und so weiter. Warum so einen Rückzug jetzt?
Stange: Jede linke Partei ist entstanden aus Idealismus heraus. Natürlich ist der idealistische Ansatz zwingend notwendig, um überhaupt Menschen miteinander zu verbinden, die bereit sind ein gemeinsames politisches Ziel zu entwickeln.
Es gibt in der Partei völlig unterschiedliche Auffassungen. Die einen drängen auf die parlamentarische Teilnahme, und große Teile der Basis sagen: “Leute, macht mal bisschen vorsichtig mit den jungen Pferden und lasst uns erst einmal die Partei in der Basis verankern.” Das schwierige ist, wenn keine homogene weltanschauliche Basis besteht, wird es natürlich sehr different, und das ist bei uns eindeutig der Fall.
Jetzt kommt die Urabstimmung. Was denkt Ihr, wie sie ausgeht? Könnt ihr einen Zeitkorridor festmachen und was erwartet Ihr von der PDS?
Groepler-Roeser: Ich denke unabhängig von einem Zeitkorridor. Ich weiß auch nicht, wie die Urabstimmung ablaufen wird. Unabhängig davon bin ich schon jetzt für Zusammenarbeit – in jeder Hinsicht und wo es geht. Besprochen wurden gemeinsame Arbeitsgruppen, Protestaktionen, Kommissionen. Ich denke, dass die, die an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, sich ohnehin zusammensetzen – das betrifft WASG und PDS.
Zum Thema Linksbündnis noch ein ganz klarer Satz: Das beinhaltet für mich auch die Einbindung der sogenannten Spinner. Es geht hier nicht um eine Relativierung der PDS, aber man sollte darüber nachdenken, ob nicht auch andere linke Bewegungen diesem Bündnis angehören sollten. Die Frage ist, ob denn zu einem Linksbündnis auch der kommunistische Grundgedanke gehört? Oder was machen wir mit Linksliberalen?
Wir werden uns wohl von denen trennen, die nur auf den Zug aufgesprungen sind, als Oskar Lafontaine sich äußerte. Es werden sich kommunale Arbeitsgruppen bilden, die tatsächlich was bewegen. Es soll ja auch nicht ad hoc homogen werden, das ist Blödsinn, es geht um streitbares Zusammengehen.
Wie wollen wir konkret werden? Oder machen wir es wie die Grünen beim “Marsch durch die Institutionen”? Bloß, die sind reinmarschiert, und nicht wieder rausgekommen.
Stange: Ich denke es wird sich zeigen, ob die Landesparteitage tatsächlich die Stimmung der Basis widergespiegelt haben. Ich halte die Urabstimmung für noch nicht entschieden.
Der Zeitkorridor ist im Moment erst einmal vorgegeben. Der Landesparteitag hat beschlossen, am 16. Juli seine Nominierung für die Landesliste vorzulegen. Die PDS macht das bereits eine Woche davor. Wir haben am 3. Juli Bundesparteitag, danach Urabstimmung. Die Beschlusslage in Sachsen hat eine klare Richtung vorgegeben. Die Frage entsteht, wenn die Urabstimmung in der Partei ein anderes Ergebnis bringt und man sagt, wir wollen ein Wahlbündnis – im Übrigen muss man das ganz klar trennen, ein Wahlbündnis und eine Fusion – dann muss sich in Sachsen der Landesparteitag überlegen, was er macht. Erwartungen können erst später formuliert werden.
Die andere Frage, wie wünschte man sich Zusammenarbeit? Wartet bitte bis zum 15. Juli. Dann sehen wir weiter.