MINT.2015-01-22
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Stadtwerke im Spannungsfeld zwischen eCommerce und OpenData
Eine Veranstaltung in der Reihe Energie-Fachgespräche des Metastream Netzwerks
- am Donnerstag, dem 22. Januar 2015, 15:00 - 17:30 Uhr im Felix-Klein-Hörsaal (5. Etage), Paulinum der Universität Leipzig, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig
Podiumsdiskussion mit Impulsbeiträgen:
- 80% EEG Ziel erreicht - Stadtwerke - was ist das? Holger Günzel, Landesbetrieb Berlin Energie. (Präsentation)
- Online-Handel und Online-Services für EVU. Helge Gerullis, INTERSHOP Communications AG. (Präsentation)
- Dezentrale Energieinfrastrukturen und OpenData. Prof. Dr. Hans-Gert Gräbe, Universität Leipzig, Mitglied im LIFIS - Leibniz-Institut für Interdisziplinäre Studien und im MINT-Netzwerk Leipzig
Anmerkungen
Bemerkenswert waren für mich vor allem die These, welche Holger Günzel am Ende seines Vortrags formulierte:
- Dezentralität der Erzeugerstruktur mit starker Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der EE führt zu eigentumsrechtlich netzübergreifenden Aktivitäten unterhalb der ÜNB Ebene. Wahrnehmbare Existenz von statt 900 Netzbetreibern (Strom) vielleicht 40-80 Infrastrukturbetreibern. Der Wert dieser Infrastrukturbetreiber liegt in der Informationsdichte und -fülle für die Ableitung neuer Produkte.
sowie die Liste wesentlicher faktischer Treiber, die er für eine solche Perspektive ausmacht:
- Ausbau der EE Anlagen ohne Berücksichtigung Quelle/Senke
- definierter Ausstieg Atomstrom
- Abkehr von Kohleverstromung
- Nichterreichen der Ziele E Mobility
- ungleiche Fördermechanismen
- fehlende medienübergreifende Kartellrechts- und Regulierungsinhalte.
Einen Akteur wie den "Landesbetrieb Berlin Energie" als wichtiges Lenkungsinstrument der Politik, eine konzertierte regionale Energiepolitik zu betreiben, gibt es in der Leipziger Region derzeit nicht. Eine solche Rolle können die Leipziger Stadtwerke als inzwischen untergeordneter Teil einer kommunalen Unternehmensstruktur nicht spielen, auch der Wirkungskreis der LVV als Management-Zetrale des "Leipziger Stadtkonzerns" hat einen zu geringen Wirkungsradius, um als Infrastrukturbetreiber die "Informationsdichte und -fülle" für ein produktives Ganzes positiv zu gestalten. Hier rächt sich auch die Abgabe entsprechender IT-Kompetenz (Verkauf von perdata, heute Arvato Systems).
Eine konzertierte Energiepolitik und damit auch der Aufbau eines Infrastrukturbetreibers, wie er mit dem "Landesbetrieb Berlin Energie" in Angriff genommen wird, ließe sich erst in der Dimension einer Metropolregion Mitteldeutschland in Angriff nehmen, etwa mit einem "Mitteldeutschen Verkehrs- und Versorgungsverbund". Das ist aber ferne Zukunftsmusik.
Hans-Gert Gräbe, 28.01.2015
Ankündigung zum Beitrag "Dezentrale Energieinfrastrukturen und OpenData"
Menschliches Handeln bewegt sich im Spannungsfeld zwischen begründeten Erwartungen und erfahrenen Ergebnissen. Ein wesentliches Moment der Vermittlung zwischen diesen Polen ist Technik. Was bedeutet dies für Energieinfrastrukturen?
Das Hirn klassischer Energieinfrastrukturen ist die Schaltwarte. Dort laufen in einer technischen Struktur die Informationen zusammen und werden die erforderlichen Steuerimpulse ausgelöst. Grundlage der Schaltwarte – in der Sprache der Informatiker ausgedrückt – ist ein komplexes adaptives Programm, in welchem die begründeten Erwartungen an das Funktionieren der Infrastruktur sprachlich – programmiersprachlich – auf eine solche Weise festgehalten sind, dass die entsprechend qualifizierten Operatoren in die Lage versetzt, mit entsprechenden Anweisungen an das System jenes so zu steuern, dass die erfahrenen Ergebnisse der Handlungsvollzüge der Operatoren nahe an den begründeten Erwartungen der Allgemeinheit bzgl. der Leistungen jener Energieinfrastruktur sind.
Dies ist eine komplexe Angelegenheit auf zwei Kausalebenen. Die Welt der Operatoren sind die blinkenden Lämpchen und Messgeräteausschläge als die erfahrenen Ergebnisse ihres Handelns, die jenes „Programm“ aus den Sensor-Aktor-Systemen der Energiemaschinen extrahiert und aufbereitet hat. Die Entwickler jenes Programms, die Entwicklungs- und Wartungsingenieure jener Schaltwarte, hegen die begründete Erwartung, dass die von ihnen ausgedachten Sprachformen – im rudimentärsten Falle die blinkenden Lämpchen und Messgeräteausschläge – angemessen für die Operatoren sind, deren Spannungsfeld zwischen begründeten Erwartungen und erfahrenen Ergebnissen des Betriebs der Schaltwarte so zu operationalisieren, dass die erfahrenen Ergebnisse der Allgemeinheit über den Betrieb der Energieinfrastruktur nahe bei deren Erwartungen sind.
Eine komplexe Angelegenheit für die Entwickler auch insofern, als sie in ihrer Sprache Sprachvermögen und Sprechen einer technischen Steuereinheit beschreiben müssen, die in der Lage ist, den Operatoren zur rechten Zeit die rechten „Worte“ in einer jenen verständlichen Sprache zu „sagen“, damit jene die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen vermögen.
Dafür sind Daten zu erheben und Steuerimpulse zu verarbeiten. Dies mag einfach sein, wenn man es mit Energiemaschinen zu tun hat, wo – ggf. mit Aufwand – an den richtigen Stellen die richtigen Sensoren eingebaut werden können und die richtigen Steuerimpulse deterministische Wirkung entfalten und Klappen öffnen oder schließen. Pure Diktatur des Ingenieurs sozusagen – die „Technik gehorcht aufs Wort“.
Was aber, wenn wir es nicht mehr mit Energiemaschinen, sondern mit Betreibern von Energiemaschinen zu tun haben? Wie müssen und können dezentrale Energieinfrastrukturen mit einer Vielzahl von Betreibern billigerweise funktionieren? Was löst die Sensor-Aktor-Systeme ab? Welche Datenströme wohin sind erforderlich? Was ist die Schaltwarte und brauchen wir eine? Welche Verbindlichkeiten und Verantwortlichkeiten sind durchzusetzen, um auch in dezentralen Energieinfrastrukturen den Spannungsbogen zwischen begründeten Erwartungen und erfahrenen Ergebnissen zu prozessieren?
Hans-Gert Gräbe, 29.12.2014
Anmerkungen von Bernd Junghans:
- Ich finde Deine philosophischen Betrachtungen zur Steuerung von Energienetzen interessant und nachdenkenswert. Allerdings verstehe ich Deine Frage "Was löst die Sensor-Aktor-Systeme ab?" nicht ganz. Die Lösung für das Problem der dezentralen Energieproduktion sind "smart grids" (http://www.energie-und-technik.de/erneuerbare-energien/artikel/102693/?cid=NL). Dort werden ebenfalls Sensoren und Aktoren gebraucht – nur in ungleich größerer Zahl. Neben der massiven Steigerung der Anzahl solcher Sensoren und Aktoren in smart grids sehe ich den Unterschied zur traditionellen Steuerung des Energienetzes über die Schaltwarten lediglich darin, dass sicher schon in naher Zukunft die Operatoren durch Steuerungscomputer (auch nicht ein Computer pro Schaltzentrale sondern -zig Tausende Computer in einem intelligenten Netz – Google arbeitet schon daran) abgelöst werden. Hier ein interessantes Beispiel aus den Europhysics News vom letzten Jahr, wo dieses Vorgehen schon mal auf den Insel Bornholm getestet wird: http://www.europhysicsnews.org/articles/epn/pdf/2014/05-06/epn201445-5-6p30.pdf
Bernd Junghans, LIFIS (Mikroelektroniker), 10.01.2015
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