Gruene.2012-05-08

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Kulturflatrate, Three strikes, alles umsonst?

Ort: GfZK, Tauchnitzstraße 9-11
Zeit: 8. Mai 2012, 19:00 Uhr

Moderation: Jürgen Kasek, Leipziger Vorstandssprecher der Grünen

Ankündigung

(Quelle: Veranstaltungsankündigung auf Facebook)

Am 08.05.2012 um 19.00 Uhr diskutieren die Leipziger Grünen in der „Galerie für zeitgenössische Kunst“ mit

über den aktuellen Stand und die Perspektiven der Debatte über das Urheberrecht im 21. Jahrhundert.

„Die Diskussion über eine Reform des Urheberrechts dürfte gerade für die vielen kreativ tätigen Leipziger, die so genannte Kreativwirtschaft, interessant sein.“, sagt Jens Reichmann, grüner Netzpolitiker aus Leipzig. „Und auch in Leipzig gibt es Menschen die eine Antwort von der Politik darauf erwarten, dass sie bei ihren Aktivitäten im Internet ständig Gefahr laufen, wegen urheberechtlicher Lapalien abgemahnt zu werden.“ so Reichmann weiter.

„Wir Grüne haben noch keine Antwort auf alle Fragen der Urheberrechtsproblematik, doch steht für uns fest, dass die Urheber das Recht haben ihre geistige Arbeit vergütet zu bekommen. Daran ändert auch die Digitale Revolution nichts.“ stellt Jürgen Kasek, Leipziger Vorstandssprecher der Grünen fest, der die Veranstaltung moderieren wird.

Auf dem Podium werden neben Malte Spitz und Thomas Wagner, Prof. Graebe, Informatiker an der Uni Leipzig und die Rechtsanwältin, Sabine Fuhrmann, diskutieren, ob und wie eine Urheberrechtsreform den Bedürfnissen des Internetzeitalters gerecht werden kann und ob sich das Urheberrecht überhaupt entsprechend ändern lässt, da es neben nationalem auch europäisches Recht und völkerrechtliche Vereinbarungen umfasst.

Das Antipiraterieabkommen ACTA sei, so meint Jens Reichmann, ein klares Beispiel dafür, wie mit Hinterzimmervereinbarungen versucht werde den Status Quo zu zementieren und eine Reform des Urheberrechts zu verhindern und überkommene Strukturen zu erhalten.

„Eine Kriminalisierung der Internetnutzer durch ein veraltetes unflexibles Urheberrecht können wir nicht hinnehmen und setzen uns deswegen auf allen politischen Ebenen für eine Anpassung des Urheberechts auf die Erfordernisse des digitalen Zeitalters ein.“, betont Jürgen Kasek.

Nachbetrachtungen

Nach einem Webmontag am 23.4.2012 zum Thema »Netzfreiheit und ACTA« mit einem überlangen Vortrag von Simon Möller, zum dem kaum Gelegenheit zur Diskussion war, wurde mit dieser Veranstaltung das Thema "Urheberrecht" neu aufgenommen. Auch wenn mir im Laufe der Veranstaltung oft Gegenteiliges unterstellt wurde - die Anwesenden waren sich weitgehend einig, dass ein modernes Urheberrecht wesentlicher Bestandteil der rechtlichen Ausgestaltung einer "digitalen Gesellschaft" sein muss und sein wird.

Im Detail gingen die Positionen allerdings schnell auseinander, insbesondere in der Frage, ob der Begriff "geistiges Eigentum" geeignet ist, die komplexen Abwägungserfordernisse eines solchen modernes Urheberrechts überhaupt adäquat abzubilden. Ich hatte bereits im Jahre 2005 in einem Aufsatz "geistiges Eigentum als Konzept" grundsätzlich in Frage gestellt. In der Diskussion wurde insbesondere der Bezug zu Art. 14 GG hergestellt. Allerdings verfügt "geistiges Eigentum" nicht über wesentliche Merkmale von Eigentum im Sinne des BGB - und auch im Urheberrechtsgesetz kommt der Begriff "geistiges Eigentum" nicht vor. Dort treten Eigentum und Eigentümer ausschließlich als Inhaber sachlicher Rechte an Werkstücken in Erscheinung, wie eine Suche im Text des Gesetzes unschwer an den Tag bringt. Im Gegenteil muss sich der Eigentümer eines solchen Werksstücks gegenüber dem "Rechtsinhaber" (so die offizielle Bezeichnung im UrhG) manche Einschränkung des Gebrauchs seines Eigentums gefallen lassen, um deren "kriminelle" Missachtung durch Bürger "mit wenig Rechtsbewusstsein" sowie die strafbewehrte Durchsetzung durch findige Rechtsanwälte und Verwertungsorganisationen es an diesem Abend vorwiegend ging.

Spannend auch der Blick ins Publikum, weitgehend aus der kleinkreativen Szene Leipzigs, die mit alten Geschäftsmodellen zwischen die Mahlsteine der Urheberrechtsauseinandersetzungen zu geraten drohen. Es wäre also spannend gewesen, sich vielleicht auch einmal des Funktionierens neuer Praxen zu vergewissern, die ich an diesem Abend unter der Metapher "den Kuchen auf neue Art backen" in die Diskussion zu bringen versuchte. So ging ich eingangs insbesondere auf die Lage im Wissenschaftsverlagswesen ein, wie sie der bekannte Leipziger Wissenschaftsverleger Jürgen Weiss zum Tag des Buches 2012 in einem Beitrag am Beispiel des Endes des Verlags B.G.Teubner - der Verlagsgründer vor 200 Jahren ein honoriger und umtriebiger Leipziger Stadtrat - ausführte. Spannend an diesem Beispiel vor allem die großen Träume von Bertelsmann unter Thomas Middelhoff (deren Tochter arvato bekanntlich gerade die Leipziger Stadtfirma perdata übernommen hat), wieviel Geld sich mit Wissenschaftsverlagen verdienen ließe, und das schnelle Ende dieser Träume, an deren Ende nun "Finanzinvestoren" (EQT/GIC) den Springer-Verlag als letzten großen deutschen Wissenschaftsverlag übernommen haben.

Leider kam "die neue Art, Kuchen zu backen" an diesem Abend kaum zur Sprache. Offensichtlich sind Diskussionen wie die an jenem Abend Nachhutgefechte auf dem Hintergrund einer sich bereits deutlich gewandelten öffentlichen Meinung, die mit Blick auf neue Praxen und auch Geschäftsmodelle zunehmend versteht, dass auch auf diesem Gebiet "eine andere Welt möglich ist". Anders ist es wohl auch nicht zu erklären, mit welcher Vehemenz die ACTA-Proteste der letzten Wochen so gut wie "aus dem Stand" vorgetragen wurden. Und ich wurde ein weiteres Mal im Eindruck bestärkt, den Hendrik Schulze (GF von ipoque Leipzig) im Leipziger Gespräch am 26.3.2012 in die Worte fasste, dass sich die Oppositionsparteien "in ihren Sandburgen eingegraben haben, die inzwischen fernab der sich weiter fort bewegten Frontlinien befinden".

Hans-Gert Gräbe, 9.5.2012