Attac.DenkTankStelle.2021-09-13

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DenkTankStelle von Attac-Leipzig

Thema: Hoffnung
Ort und Zeit: Montag, 13. September 2021, 19 Uhr im Restaurant MIO, Beethovenstraße 21

Ankündigung

Manfred Steinert hat die Moderation übernommen und wird eine kurze Einführung geben.

Aus Wikipedia: “Hoffnung (vgl. mittelniederdt.: hopen „hüpfen“, „[vor Erwartung unruhig] springen“, „zappeln“) ist eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungs­haltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht.”

Das “Wünschenswerte” ist ja wohl unbestritten, dass wir aus dem sich ankündigenden Schlamassel einigermaßen heil herauskommen. Was spielt dabei das uns durch die Evolution implantierte Gefühl: “Hoffnung” für eine Rolle? Welche Utopien sind damit verbunden?

In “Erwartung unruhig hüpfend”

Johannes, 05.09.2021

Vorab: Ein paar Gedanken zum Thema Hoffnung

Was für ein treffliches Thema! Gerade jetzt, zu unserem letzten Treffen vor der Bundestagswahl, bei der personell sowieso, aber gewiss auch inhaltlich epochale Veränderungen eingeläutet werden (könnten). Alles angesichts der zunehmenden Polarisierung auch unserer Gesellschaft, so kurz nach dem Afghanistan-Drama, inmitten des bisher verdeckten, inzwischen wieder offen ausbrechenden globalen West-Ost-Konflikt sowie der recht ambivalenten Rolle Deutschlands und Europas dabei. (Vom emotionsgeladenen 20. Jahrestag von „9/11“ mal abgesehen.) Dazu eine zunehmend gespaltene Gesellschaft, sowohl was Corona allgemein als auch deren anrückende vierte Welle betrifft. Ähnlich jenes andere Mega-Thema, das zwischenzeitlich durch Corona etwas überwuchert war, aber spätestens nach der Flutkatastrophe vom Juli, nun wieder deutlicher unser aller Leben als Klimakrise samt Energiewende, deren Begleitumstände und Widersprüchlichkeiten bestimmt. Und ... überall wird es, neben Wissen, Fakten, analytischer Klarheit und Glauben, nicht ohne eine gehörige Portion Hoffnung abgehen. Wenn das nicht Stoff für eine DenkTankStelle ist, was dann?

Um einen Einstieg zu solch breit gefächertem Thema zu finden, möchte ich dieses zunächst noch damit „anreichern“, indem ich die Aufmerksamkeit auf einige weitere „Mitspieler“ im Gedankengebäude Hoffnung lenke. Mitspieler, welche die mitunter unverständliche Dualität allen Seins repräsentieren, damit alles oft kompliziert machen und man sich solcher Ambivalenz deshalb bei Argumentationen und Handhabung von Begriffen bewusst sein sollte. Der Volksmund sagt dazu kurz: Jede gute Seite hat auch eine schlechte und umgekehrt. Oder: Jede Medaille hat zwei Seiten. Etwas anspruchsvoller wird dieses Prinzip in der europäischen Philosophie (u.a.) mit Kampf und Einheit der Gegensätze bezeichnet, in der chinesischen durch Yin & Yang symbolisiert, während für die Naturwissenschaften der Ausgleich von Potenzialen hin zu Gleichgewichten die entscheidende Triebkraft von Bewegung aller Art ist.

Solche Duplizität haftet auch der Hoffnung an, einem Begriff, der ja ohnehin nur eine von Menschen gemachte Worthülse ist, die jeder für sich in seinem Kopf erst mit Leben füllen muss. Was jedoch bei der Menge von Köpfen, objektiven Möglichkeiten und individuellen Herangehensweisen eine Unzahl von Deutungen zulässt. Zudem es dabei gilt, die Fantasie straff an die Leine zu nehmen, um möglichst das Abgleiten zur Utopie entweder zu vermeiden oder, weil Märchen meist so schön sind, solches bewusst anzusteuern. Insgesamt also eine gehörige Mühsal mit der Hoffnung, welche nicht etwa, wie manche denken, eigenes Nachdenken erspart, sondern im Gegenteil, solches in hohem Maße abverlangt. Mit einem Allerweltsspruch auf der Zunge wie „Alles wird gut“ ist nichts getan. Und trotzdem, ganz ohne Hoffnung geht es auch nicht.

Sterben, so sagt man, würde sie immer zuletzt, die Hoffnung, hatte ich letztens meinen längeren August-Beitrag begonnen. Gut, dass sie so langlebig und hartnäckig ist, die Hoffnung. Denn ein Leben ohne sie als ständigen Begleiter wäre wohl recht trostlos, auf Dauer gar unmöglich. Außerdem, falls sie doch mal schwächelt, die Hoffnung, ist da immer auch noch ihr Zwillingsbruder zur Stelle, der Glaube. Viele bemühen dazu noch jemand aus dem Jenseits, auf den sie Hoffnungen auslagern, andere müssen (oder wollen) ohne solch göttlichen Partner und Hoffnungsträger auskommen und alles mit sich selbst ausmachen.

Wie auch immer, kein ganz einfacher Job. Denn sie, die Hoffnung, hat auch manche Gegenspieler, gar falsche Freunde. So ist beispielsweise die positiv konnotierte Hoffnung ohne den negativ konnotierten Zweifel nicht denkbar. Denn worauf und warum sollte man hoffen, wenn es keinen Zweifel am Ablauf der Dinge gäbe. Was heißt überhaupt „negativ konnotiert? Ist nicht der Zweifel auch die Mutter allen Fortschritts? Und speist sich eine Befürchtung nicht aus gleicher emotionaler Quelle wie Hoffnung, beides sich nur an individuell unterschiedlichen Wünschen oder Erwartungen entscheidet? Ein bestimmter Ablauf damit sogar gleichzeitig sowohl Hoffnung als auch Befürchtung bedienen kann, je nachdem, worum es unter welchen Umständen geht. Solches Dilemma ließe sich nahezu endlos fortsetzen, weil es im Dunstkreis des Mysteriums Hoffnung noch eine Menge weiterer ähnlicher mehrdeutiger „Zwillingspärchen“ gibt, deren möglicher Doppelrolle man sich bewusst sein sollte. So etwa: Ein Freiheits- und gleichzeitiges Sicherheitsbedürfnis oder ein Glauben oder Wissen. Was weiter aufgedröselt zu wissenschaftlich belegbaren Fakten, zu empirisch gegründeten Annahmen oder zu direkten Fakes führt. Bei Letzterem noch zu selbst geglaubten oder absichtsvoll gestreuten. Und vieles andere mehr.

Womit deutlich wird, dass es zu jedem Argument immer auch Gegenargumente nicht nur geben wird, sondern diese meist auch gut zu begründen sind. Und schon sind wir bei der nächsten, oft schwierigsten Hürde, jener von Wahrscheinlichkeit und durchdachter Abwägung derer meist so vieler denkbarer Möglichkeiten, was uns vorm Abgleiten auf rutschigem Untergrund bewahren sollte.

Um damit zu unserer Runde zu kommen: Wir also deshalb versuchen sollten, unsere Aufmerksamkeit auf die aktuellen Problemen unserer sich zunehmend polarisierenden Gesellschaft zu lenken. Was auch einschließen solltet, uns über divergierende Meinungen und Dissonanzen zu Grundfragen unseres aktuellen Seins auszutauschen. Wenn kontrovers, dann ohne Schaum vor dem Mund und mit Offenheit und innerer Bereitschaft über andere Meinungen und deren Begründungen ernsthaft nachzudenken.

Das schon mal vorab, damit wir uns nicht im Gestrüpp von Begriffsbestimmungen und Ausdeutungen in Elfenbeinturmdiskussionen verzetteln und dabei vergessen, uns mit unseren, eingangs erwähnten wirklichen Problemen zu befassen. Will heißen, mehr damit, „wie wir aus dem sich ankündigendem Schlamassel wieder rauskommen“ (Hannes) könnten … und was dabei begründbare Hoffnung oder eher illusionäre Utopie ist.

Womit ich glaube, euch genug Knochen hingeworfen zu haben, um daran zwei Stunden mehr oder weniger genüsslich, möglichst aber ertragreich herumknabbern zu können.

Manfred Steinert, 11. September 2021