ASG.2010-09-13
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Internationales Leipziger Symposium "In memoriam Dr. Bernd Fritzsche" am 13.9.2010
- Einladung und Programm der Veranstaltung
Bericht
Am 13. September dieses Jahres wäre Dr. rer. nat. Bernd Fritzsche 60 Jahre alt geworden, wenn nicht schon am Morgen des 2. Februar 2010 sein Herz- und Kreislaufsystem für immer versagt hätte. So begann Lic. Phil. Ellen Heinke, seine tapfere Lebenspartnerin, vormittags ihre Erinnerungen „22 Minuten mit Bernd Fritzsche - Bilder & Gedanken“. Sie war die Frau, die dem Leipziger Physiker Bernd Fritzsche den seelischen Halt in der letzten Lebensstation, der Schweiz, geben konnte.
Zuvor war Dr. rer. nat. Bernd Fritzsche 25 Jahre im Leipziger universitären Carl-Ludwig-Institut, in der Abteilung „Kybernetik“ (Professor Dr. Wolfgang Kirmse), auf dem Gebiet der Medizinischen Physik tätig; dabei war er tatsächlich interdisziplinär wirksam geworden, wie sein langjähriger Freund, PD Dr. Dietrich Ebert, in seiner Laudatio ausführte und den anwesenden zahlreichen Gästen glaubhaft versicherte. Es wäre wünschenswert, die auch genannten neuen Ideen zu verwirklichen.
Sein Schweizer Freund, Graf Wolfgang von Krockow-Lauinger (Prorektor GIBZ, Schweiz) stellte eine Schweizer Neuheit, die Berufsmaturitätsschule, vor; danach schilderte er das Wirken des beliebten Lehrers Bernd Fritzsche in der Berufsmaturitätsschule des Kantons Zug.
Mit dem Thema „Über die lehrerlose Gesellschaft“ des Referenten gelang der Einstieg in eine nachhaltigere Diskussion.
Die ausgedehnte Mittagspause ermöglichte darüber hinaus den ehemaligen und den noch tätigen Mitarbeitern des Gastgebers des Symposiums, des Carl-Ludwig-Institutes für Physiologie der Universität Leipzig, gemeinsamen Erinnerungen an den fachlich und menschlich geschätzten Kollegen Bernd Fritzsche auszutauschen.
Am Nachmittag beschrieb zuerst der Präsident des Veranstalters, der Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e. V (ASG), Dr. rer. nat. Wolfgang Eisenberg die schon weit entwickelte persönliche Interdisziplinarität des theoretischen Physikers Bernd Fritzsche (er diplomierte zum Thema Zweispinsystem), von seiner geliebten Mathematik bis zu der in Leipzig begründeten Psychophysik. Dr. Bernd Fritzsche hat die ASG 1998 in Leipzig mitgegründet; er war ein langjähriges Vorstandsmitglied und Mitherausgeber der von der ASG unterstützten Publikationsreihe „Synergie, Syntropie, nichtlineare Systeme“. Denn die Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e. V. ist in ihrer Tätigkeit fokussiert auf die interdisziplinären Projekte mit Synergieeffekten, wie z. B. „Die Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge“, die aus der erfolgreichen Zusammenarbeit des Physikers Wilhelm, des Physiologen Eduard Friedrich und des Anatomen Ernst Heinrich Weber entstand.
Der weltweit tätige Mathematiker, Professor Dr. habil. Karl Strambach (Universität Erlangen-Nürnberg) erzählte dann, wie er den an der Geschichte der Mathematik sehr interessierten Akademiker Bernd Fritzsche, der seiner Meinung nach ein größeres Wirkungsfeld verdient gehabt hätte, 1990 in Leipzig vor dem Sophus Lie-Seminar kennengelernt und erlebt hat.
Der in der historischen Methodik versierte Diplompädagoge Roland Walter (ASG-Projektgruppe „Bedeutende Leipziger Wissenschaftlerpersönlichkeiten“) wies am Beispiel der historischen Arbeit Bernd Fritzsches zur Krankheit Sophie Lies nach, wie dieser die Disziplin Medizin mit der Historiografie verknüpfen konnte.
Prof. Dr. habil. Bernd Kirstein (Fakultät für Mathematik und Informatik, Universität Leipzig) erhielt kurioserweise gemeinsam mit den Namensvettern Bernd Fritzsche (Physik) und Bernd Fritzsche (Mathematik) die Promotionsurkunde. Er schilderte danach, wie sie beide das internationale Leipziger Wiener-Symposium (gefördert vom Zentrum für höhere Studien) mit den bekannten Wiener-Schülern vorbereitet, mit der Ostwald-Gesellschaft in Großbothen durchgeführt und mit der ASG als Heft 6 im Jahre 2000 in der o. g. Reihe „Synergie, Syntropie, nichtlineare Systeme“ publiziert haben.
Nach der Kaffeepause stellte PD Dr. med. Beate Raßler (Carl-Ludwig-Institut für Physiologie der Universität Leipzig) ihre Arbeiten zur Atmungs- und Extremitätenmotorik (gemeinsam mit einer Züricher Kollegin durchgeführt) vor. Die Messkurven zur Koordination zwischen der Atmung und den verschiedenen menschlichen Bewegungen überzeugten und regten zum weiteren Nachdenken an.
Dr. rer. nat. Manfred Braune (Leipzig, ASG) blieb es vorbehalten, das Gedenken an Bernd Fritzsche in den Kontext gemeinsamer Projektideen zur Ganganalyse zu stellen und mit tätiger Fortsetzung zu verknüpfen. Er hofft dabei auf Unterstützung bei der Realisierung seines vorgestellten einfachen Modells zur Dynamik der Kopfbewegung in der Ganganalyse, dass technisch umsetzbar und mathematisch beherrschbar ist.
Dr. rer. nat. Vera Ogunlade (ASG) berichtete über die vorbehaltlose Unterstützung, die Sie in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn im Carl-Ludwig-Institut durch Bernd Fritzsche erfahren und die Ihr das Einleben in Leipzig sehr erleichtert hat. Das gemeinsame Praktikum und der „Farbenlehrer“ sind fest in ihren Erinnerungen verankert: sie zeigte auch die Ihr geschenkten Werkzeuge der Farbenlehre und erläuterte diese.
Dr. Anneros Meischner-Metge (Vorsitzende der Gustav-Theodor-Fechner-Gesellschaft) wies auf die Notwendigkeit existierender Quellen als Beweisstücke der historischen Forschung hin. Am Beispiel der ausgewerteten Fechner-Tagebücher konnte sie eine Quellenanalyse zur Entstehungsgeschichte des Weber-Fechner-Gesetzes vorlegen. Von dem Gesetz erhoffte sich der ehemalige Direktor der Leipziger Physik, Gustav Theodor Fechner, auch die Relevanz des Weberschen Grundgesetzes der Elektrodynamik.
Zum Abschluss der Sitzungen am Nachmittag erläuterte der Physiker Dr. Karl-Peter Dostal (Leipzig) die Wechselbeziehungen von Musik und Mathematik am Beispiel der Stimmungen. Die ideengeschichtliche Erörterung vermittelte den Hörern die bestimmenden Prinzipien und ihre Realisierungen bis heute. Das hätte den Musikliebhaber Bernd Fritzsche sicher auch interessiert.
Nachdem so viele interessante Vorträge zur persönlichen Interdisziplinarität gehalten worden waren, wurde natürlich die anschließende Stadtführung bis zum ehrwürdigen Auerbachs Keller und das gemütliche Beisammensein dort – wie übrigens der ganze Tag – intensiv zum Gedankenaustausch genutzt. Insbesondere die Schweizer Gäste, wie z.B. auch Dr. Christine Freudensprung, und die Ehrengäste, wie z. B. der Historiker Prof. Dr. Gerald Weimers, der Technikhistoriker Dr. Lothar Hiersemann, der Leipziger Physiker Prof. Konrad Unger (Wissenschaftlicher Beirat der ASG) und der Kybernetiker Prof. Dr. Wolfgang Kirmse, standen im Mittelpunkte der Diskussionen. Daher ist es den Symposiumsteilnehmern verständlich, dass der Philosoph Stekeler-Weithofer (Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig), der Mikrobiologe Prof. Dr. Wolfgang Babel (Wissenschaftlicher Beirat zum Sommerfeld-Seminar) und der Technische Chemiker Prof. Dr. Papp (Vorsitzender der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen), sehr bedauerten, dass sie am Symposium „In memoriam Dr. Bernd Fritzsche“ nicht teilnehmen konnten.
Auch das neue Mitglied der ASG, der historisch und philosophisch interessierte Physiker, Prof. Dr. rer. nat. Manfred Füting, war nach dem Erleben des Symposiums sichtlich beeindruckt von dem Menschen und der persönlichen Interdisziplinarität des ehemaligen ASG-Mitgliedes Dr. rer. nat. Bernd Fritzsche.
Die Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e. v. wird Bernd Fritzsche stets in Ehren gedenken und in seinem Sinne weiter wirksam werden. Sie bedankt sich bei allen Mitgestaltern, die an der Vorbereitung des Symposiums „In memoriam Dr. Bernd Fritzsche“ tätig geworden sind.
Dr. rer. nat. Wolfgang Eisenberg
Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e. V.