WAK.Debatte.Grundeinkommen.2006-12-BH
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12 Fragen an Attac zum bedingungslosen Grundeinkommen
von Barbara Hähnchen, Attac Berlin
(Dezember 2006, per email von Jens 2007-03-11)
1. Ist es zu verantworten, den Menschen mit niedrigsten oder ohne Einkommen ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in Aussicht zu stellen
a) ohne Zeithorizont; es klingt in den BGE-Konzepten, als könne man sie relativ problemlos verwirklichen, ohne lange zu warten?
b) Ohne diejenigen gefragt zu haben, die das Volkseinkommen erarbeiten müssen für ein BGE?
c) Ohne klar zu machen, dass mit dem BGE Verpflichtungen verbunden sind; insbesondere die Pflicht, dass die derzeit vernachlässigten sozialen Dienste und die ökologischen Aufgaben erledigt werden müssen, wenn es zu einer humanen Gesellschaft kommen soll?
d) Ohne in aller Deutlichkeit zu sagen, dass die gewollte humane Gesellschaft im Rahmen des heutigen Raubtierkapitalismus und des vielfach sinnlosen Überkonsums nicht möglich ist?
e) Ohne den heute notleidenden Menschen unermüdlich zu erklären, dass kapitalistische Profitgier weder eine humane Gesellschaft zulässt, noch eine Überwindung der scharfen Schere zwischen Arm und Reich - also auch kein BGE?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): mir ist es relativ egal, wer aus welcher motivation in welcher zahl und mit welchen vokabeln einen vorschlag befürwortet oder ablehnt (ausser, wenn es um die durchsetzbarkeit desselben geht). wichtig ist mir, wie gut die argumente dafür und dagegen sind.
2. Kommt das BGE nicht gerade den Unternehmern in ihrer Profitmaximierung zupass?
Das zeigt doch die unerwartete Zustimmung aus solchen Kreisen. Man denke z.B. an den Chef der DM-Drogeriekette Götz W. Werner. Er befürwortet ein BGE in Höhe von zunächst 1.500 Euro, das aus einer 50%-igen Mehrwertsteuer finanziert werden soll. Und zu diesem BGE kann man dann einen zusätzlichen Erwerbslohn erarbeiten, der ganz niedrig sein darf!!!
Meine Formel dafür: "BGE plus Niedriglohn entspricht bisherigem Erwerbslohn". Da hat Herr Werner im Gewande eines Menschenfreundes (Schafspelz) das BGE flugs dazu missbraucht, einen staatlich subventionierten Kombilohn zu entwerfen - oder? Und die 1.500 Euro klingen zwar verführerisch, aber sie werden schnellstens entwertet durch die hohe Mehrwertsteuer. Für Dinge der Grundlebenshaltung wird sie versiebenfacht! Deren Preise steigen um ca. 45%. Gab es bei Attac nicht Bewunderung für Herrn Werner? Warum eigentlich?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): thomas straubhaar beispielsweise muss man keineswegs sympathisch finden, aber angesehener wirtschaftswissenschaftler ist er auf jeden fall. mir wäre auch nicht bewusst, dass scharenweise ökonomen aufschreien und "schnapsidee" brüllen. es gibt zwei sinnvolle einwände, den der finanzierbarkeit und den des arbeitsanreizes, die aber beide über die höhe und über flankierende massnahmen gut zu regulieren sind. im übrigen halte ich bei diesen fragen die meinung von sozialwissenschaftlern und anderen durchaus nicht für irrelevant, denn es geht ja gerade darum, dass die wirtschaft für die menschen da sein soll und nicht umgekehrt (was durchaus eine reale gefahr darstellt, wenn man die welt den wirtschaftswissenschaftlern überlässt - wie der neoliberalismus eindrucksvoll gezeigt hat)
- Kommentar Jens (2007-03-13): Zu Straubhaar siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Straubhaar
- ein Botschafter der INSM
- er spricht von Befriedung(!) eines Drittels der Bevölkerung, damit der Kapitalismus weiter funktioniert ... Das ist in meinen Augen die personifizierte, akute Gefahr der Vereinnahmung durch die Neoliberalen.
3. Warum wird das BGE von seinen Erfindern mit dem Argument (unter anderem) gerechtfertigt, die Erwerbsarbeit ginge uns aus? Und die ständig steigende Arbeitsproduktivität erzwinge Arbeitslosigkeit?
Beides trifft m. E. in erster Linie die Industriearbeit, die Warenproduktion. Es gilt nicht im geringsten für die Arbeit am Menschen und seiner Umwelt. Warum macht auch Attac den Fehler, diese zukunftsträchtige Arbeit aus dem Blick zu lassen, ebenso wie alle marktradikalen Kräfte es tun. Bei ihnen liegt der Grund auf der Hand, es wirft zu wenig oder gar keinen Profit ab, es handelt sich zur Zeit um Non-Profit-Sektoren; aber was veranlasst Attac-BGE-Verfechter zu der beklagenswerten Missachtung? Warum wird mithin, wenn es um die Verteilung des Volkseinkommens geht, von diesen Verfechtern das BGE für offensichtlich wichtiger gehalten als die Arbeit am Menschen und seiner Umwelt?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): unter den ewerbslosenbewegungen im osten sowie auch bei der pds scheint sich mir der vorschlag eher besonderer beliebtheit zu erfreuen. wieso all diesen leuten die ddr-erfahrung fehlen soll, ist mir schleierhaft (abgesehen davon, dass ich sie wie schon mehrfach ausdiskutiert dafür für irrelevant halte)
4. Ebenso hat das BGE für seine Attac-Verfechter Vorrang vor einer Arbeitszeitverkürzung mit höchstmöglichem Lohnausgleich; auch das ist eine Frage der Prioritätensetzung bei der Verteilung des jährlich verfügbaren Volkseinkommens.
Warum sollen die einen weiterhin schwer arbeiten und die andern gar nicht bzw. nach Lust und Laune? Volkseinkommen wird schließlich durch Arbeit erzielt. Die für BGE-Bezieher vorgesehene ehrenamtlich-freiwillige Arbeit soll nicht bezahlt sein, bringt infolgedessen kein Volkseinkommen und ebensowenig eine Finanzierungsbasis für das BGE.
- Kommentar Daniel (2007-03-13): wie auch schon eher betont, ist das grundeinkommen eher ein einfacher weg zur arbeitszeitverkürzung, als dass es dem entgegenstünde. während jetzt mit riesiger anstrengung kaum zu gewinnende kämpfe von eher schwächelnden gewerkschaften und/oder parteien quasi jährlich neu ausgefochten werden müssen, wären dann schon deren einzelne mitglieder in ihrer verhandlungsposition gestärkt (und die organisationen natürlich mindestens genauso).
5. Wenn die BGE-Bezieher (gegen alle Erwartungen meinerseits) tatsächlich ehrenamtlich und unbezahlt im Non-Profit-Sektor arbeiten sollten, dann sind sie dort Lohndrücker.
Warum sollen Arbeitgeber, wie z.B. in den Kommunen mit ihren desolaten Finanzverhältnissen, bezahlte Arbeitskräfte einstellen, wenn es genug kostenlose gibt? Und hier gilt wieder: Das erwirtschaftete Volkseinkommen würde sinken; es sei denn, die gesamte Systematik der Berechnung von Bruttoinlandsprodukt und Volkseinkommen würde radikal reformiert. Gibt es dafür brauchbare Vorschläge in den BGE-Konzepten? Täusche ich mich, oder ist den BGE-Verfechtern die kapitalistische Ökonomie ziemlich gleichgültig, obwohl das BGE doch offensichtlich unter kapitalistischen Rahmenbedingungen verwirklicht werden soll?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): das wäre mir neu. aber auch hier gilt, dass das grundeinkommen sowohl die (teilweise immens notwendige) humanisierung der arbeitsbedingungen inklusive arbeitszeitverkürzung in diesen bereichen eher befördert und zudem mehr ehrenamtliche tätigkeit ermöglicht.
6. An dieser Stelle möchte ich die Frage nach der Finanzierbarkeit eines BGE stellen, auch wenn das unter vielen BGE-Verfechtern verpönt ist.
Laut Bundesamt für Statistik gab es 2005:
- Ein Volkseinkommen von 1.684 Mrd. Euro,
- davon Arbeitnehmerentgelte von 1.129 Mrd. Euro,
- sowie Kapital- und Vermögenseinkommen von 555 Mrd. Euro.
Mehr ließ sich 2005 nicht verteilen.
Ich setze nun ein BGE von 1.000 Euro pro Kopf und Monat an. In dieser Höhe wird es vielfach gefordert. Das ergibt annähernd 1.000 Mrd. Euro pro Jahr.
Demnach wären im Jahre 2005 noch 129 Mrd. Euro von den Arbeitnehmerentgelten übrig geblieben. Das hätten die Arbeitnehmer nicht akzeptiert als Entgelt für ihre jährliche Arbeit; auch dann nicht, wenn man ihr BGE dazu rechnet, denn das bekäme ja jeder. Sie würden es auch nicht akzeptieren, wenn Kinder etwas weniger BGE erhalten würden und dadurch mehr vom Volkseinkommen übrig bliebe.
Und selbst wenn man die Kapital- und Vermögenseinkommen zur Hälfte wegsteuern würde, hätte man nur 278 Mrd. Euro mehr zur Umverteilung.
Das Wichtigste an der Finanzierungsfrage: Wer weiß denn, wie viel Wertschöpfung noch stattfindet, wenn viele Menschen nicht mehr erwerbstätig sein wollen, weil ihnen ja 1000 Euro genug sind?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): in der bibel (und dem koran, und wer weiss, wo noch alles) steht auch, dass emanzipation und homosexualität und verschiedene leckere essen des teufels sind. das ist keine moralische kategorie, auf die ich mich (ungefiltert) beziehen würde (und wundere mich bei dir auch sehr darüber). die (in unseren breitengraden dafür massgebliche und für die bekanntheit des spruches verantwortliche) protestantische arbeitsethik hat geschichtlich und philosophisch nicht unerheblichen dreck am stecken.
abgesehen davon gilt einmal mehr, dass es eben nicht um eine entkopplung von arbeit und einkommen geht, sondern nur um eine bedingungslose sicherung der grundbedürfnisse. und dass mit stufenweiser einführung wunderbar gesichert werden kann, dass der arbeitsanreiz nicht zu schwach wird. das menschenbild lässt sich quasi empirisch ermitteln. (von der schwäche der volkswirtschaftlichen gesamtrechnung abgesehen, dass sie ehrenamtliche und reproduktive arbeit nicht richtig berücksichtigt - was nach dieser methode zu einem zu niedrigen grundeinkommen führt)- Kommentar von RedTeddy (2012-11-20): Ich kann keinen Zuammenhang zw. Deinem Kommentar und der o.a. Frage entdecken. Oder anders: Du hast sie IMHO mitnichten wiederlegt.
7. Das BGE soll den "Zwang zur Arbeit" beseitigen.
Wenn aber nach diesem Konzept nur "gute Arbeit" bezahlt werden wird, dann kann das doch zur Folge haben, dass "schlechte Arbeit" für die ehrenamtlichen BGE-Bezieher übrig bleibt. Kommen sie damit nicht vom Regen in die Traufe? Es gibt ausreichend "schlechte" Non-Profit-Arbeit, die allein durch ihre Nichtbezahlung profitabel würde.
- Kommentar Daniel (2007-03-13): sind zwei geschichten:
- a) die nord-süd-ungerechtigkeiten werden damit tatsächlich nicht beseitigt. sie werden aber auch nicht verschärft. eine entrechtung grosser bevölkerungsteile im norden wie sie jetzt besteht hilft dem süden aber kein stück weiter. im gegenteil dient sie eher dazu auch dort die verhältnisse zu verschärfen ("wenn die deutschen schon für 1 euro den müll wegräumen, können wir doch in polen nicht dieses lohnniveau fordern - wenn die polen ... können wir in indien ... - wenn die inder ... können wir in china ..." usw.) umgekehrt könnte es auch inspiration und argument für positive kämpfe um die verteilung zumindest innerhalb anderer länder sein.
- b) der keil ist wenn dann in den köpfen. er besteht derzeit und in den letzten jahren verschärft und eher dadurch, dass viele arbeitswillige in existenzangst leben (und politik und presse ihn gerne tiefer treiben und nutzen). in diesem sinn ist der mechanismus der fremdenfeindlichkeit sehr ähnlich und eigentlich gut erforscht. zu zeiten, als die absicherung für alle besser war, war auch der neid/hass auf "schmarotzer" weniger verbreitet.
- und noch zwei:
- c) wirtschaftlich problematisch wird die sache nur, wenn der arbeisanreiz wirklich zu schwach wird. das lässt sich aber vermeden (s.o.)
- d) die gerechtigkeitsvorstellung nach leistungsbemessung, die hier anklingt ist utopisch und ihre umsetzungsversuche zum scheitern verurteilt: utopisch, weil "leistung" sowohl im sinne von einsatzbereitschaft als auch im sinne gesellschaftlichen nutzens nicht messbar ist und mit der derzeitigen einkommensverteilung so gut wie gar nichts zu tun hat (man braucht sich nur an die zusammenhänge von beispielsweise sozialer herkunft oder reproduktiver arbeit oder dem wirtschaftssektor oder dem wohnsitzland zum einkommen zu erinnern). umsetzungsversuche gibt es im deutschen recht zuhauf, mit dem ergebnis, dass eine menge fehlanreize geschaffen werden, dass sich sowohl antragsteller als auch recht gut bezahlte beamte mit pfennigbelegen beschäftigen, bei denen die strassenbahnfahrt zum hinbringen teurer ist als die belegsumme, dass arbeitslose nicht einfach mal für einen monat anderswo ihre familie besuchen können und vor allem bei denen in zeiten knapper kassen teilweise sozialämter die anweisung haben, alle sonderanträge zunächst abzulehnen und nur widersprüche wirklich zu bearbeiten - mit dem ergebnis der entsprechenden zuwendungsverteilung zwischen verschiedenen bildungsschichten u.ae.)
8. Ist eigentlich klar, dass am BGE nur die Menschen in der schlechtesten finanziellen Lage interessiert sein können?
Aber gerade diese sind, wie das Beispiel der Langzeitarbeitslosen zeigt, schwer zu mobilisieren für ihre Interessen. Und sie haben die Mehrheit gegen sich! Glauben die BGE-Verfechter, es ist in Deutschland eine Mehrheitsstimmung für das "Recht auf Faulheit" zustande zu bringen, wie das im Hinblick auf das BGE heute schon heißt? Würde es nicht vielmehr zu einer ganz neuen 2-Klassen-Gegensätzlichkeit kommen?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): die inflationswirkung ist nicht ganz klar zu beurteilen, könnte aber eintreten. im fall von deutschland wäre sie sicher durch die euro-währungsunion gedämpft. ob und wie stark in diesem fall die beschriebende spirale eintritt, hängt davon ab, ob das grundeinkommen als festbetrag, warenkorb oder bip-anteil definiert ist. jedenfalls ist die wirkung nicht größer als bei der forderung nach vollbeschäftigung und angemessenem mindestlohn. auch hier kann in jedem fall bei schrittweiser einführung entsprechend gegengesteuert werden. unklar ist mir, ob sie in der theorie überhaupt eintreten dürfte, da das grundeinkommen durch umverteilung und nicht durch verschuldung finanziert werden soll und somit die geldmenge nicht steigen dürfte (oder?). in diesem punkt würde ich mich auf die theorie aber nicht unbedingt verlassen.
9. Warum wird die BGE-Forderung quasi als Hauptaufgabe in der gegenwärtigen Situation propagiert?
Müssen nicht zuerst solche Schritte gegangen, solche Ziele erkämpft werden, wie: Das äußerst schwierige Problem einer Umverteilung von Reich zu Arm zu lösen. Das bedeutet und erfordert eine entsprechende Strategie. Gibt es die?
Ein BGE in Deutschland sollte bei den Armen in der übrigen Welt Verständnis finden. Zur Zeit profitieren wir von den Armutslöhnen anderswo. Auch das BGE würde davon profitieren. Kann das für Attac akzeptiert werden? Müssen wir nicht globale Solidarität üben und als strategisches Ziel in den Vordergrund stellen?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): sehe ich das problem nicht. deutschland ist reich genug dafür, jegliche bedürfnisse kann und soll das grundeinkommen nicht abdecken. warum jede entwicklung mit allen aspekten ins stufenmodell der gesellschaftsentwicklung passen soll, muss oder auch nur kann sehe ich nicht ein.
10. Warum wird die gegenwärtige Misere von den BGE-Verfechtern dem "alten Sozialstaat" in die Schuhe geschoben anstatt der herrschenden Profitmaximierung? Warum hat das BGE Vorrang vor einer vernünftigen Reform des gegenwärtigen Sozialsystems?
Denn die übergroße Mehrheit der Bevölkerung befürwortet beispielsweise eine solidarische Bürgerversicherung, die bekanntlich bedeutende Umverteilungspotentiale zugunsten der Niedrigeinkommen haben kann. Ist es zu verantworten, dieses Projekt, das auch auf politischer Seite viele ernstzunehmende Bündnispartner hat, bei Attac einfach nur deshalb zu vernachlässigen, weil das BGE als eine schöne Vision erscheint?
- Kommentar Daniel (2007-03-13): naja, natürlich entsteht dadurch nicht von einem tag auf den anderen die perfekte welt. aber die hebelwirkung für bewusstsein und machtverteilung halte ich für enorm und den meisten anderen vorschlägen deutlich überlegen.
- Kommentar RedTeddy (2012-11-20): Macht - genau. Wo ist die gesellschaftliche Macht/ Kraft die das BGE durchsetzen soll? Im Moment geht doch in DE kaum was in die richtige/ sozial gerechte Richtung. Und wenn die Mainstream-Presse-Maschine anrollt, haben wir am Ende ein asoziales Bedingungsloses Grundeinkommen ala Götz Werner/CDU/ FDP/ ... fürchte ich.
11. Das Konzept einer solidarischen Bürgerversicherung braucht gerade jetzt einen unüberhörbaren Einsatz.
Denn gegenwärtig versucht die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD, geführt von Frau Merkel, das Lieblingsprojekt dieser Kanzlerin gesetzlich festzuschreiben: Nämlich Kopfpauschalen und Zweiklassenmedizin in welcher Form auch immer. Attac dürfte klar sein, dass dann auf Jahre hinaus unser wichtigstes, noch geltendes Solidarsystem der Zerstörung unterliegt. Und das trifft zuerst und am schwersten die Menschen mit niedrigen oder ohne Einkommen. Es sind genau die Menschen, denen die Attac-Verfechter ein BGE in Aussicht stellen. Hier erübrigt sich jede Frage nach der eigentlichen Priorität - oder?
12. Abschließend: Haben die Attac-BGE-Verfechter den Aufsatz von Erich Fromm zur Kenntnis genommen, der dankenswerterweise per Mail verbreitet wurde?
Sein Titel "Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Grundeinkommens für alle", New York 1966. [1] Fromm befürwortet ein BGE, aber er postuliert unglaublich wichtige Grundsatzbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit es in die Gesellschaft überhaupt passt. Zusammengefasst: In das gegenwärtige System passt es überhaupt nicht! Die Gründe sind z.B.:
"Der Mensch hat sich in einen homo consumens verwandelt. Er ist unersättlich und passiv und versucht seine innere Leere mit einem ständigen, stets wachsenden Konsum zu kompensieren? ... Die Industriegesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts hat diesen neuen psychologischen Typ, den homo consumens, in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen geschaffen, d.h. um des notwendigen Massenkonsums willen, der durch die Werbung stimuliert und manipuliert wird."
Das mag einem gefallen oder nicht, aber es ist schwer zu widerlegen. "Was muss also geschehen, wenn wir das garantierte Einkommen einführen wollen?" Fragt Fromm. Wiederum zusammengefasst: Der Mensch muss dazu erzogen werden, seine Konsumgier in "gute Bedürfnisse" umzuwandeln, d.h. in "Lebendigkeit, Wachheit, Produktivität und Sensitivität". Das wäre tatsächlich wohltuend! Nur: Wie viel Zeit und Veränderung der Rahmenbedingungen sind notwendig, bis das verwirklicht und der Mensch reif sein wird für die Utopie des bedingungslosen Grundeinkommens?
Zweifelsfrei müssen alle ein Recht auf ein armutsfestes Einkommen haben. Aber leistungsfähige Menschen sollen zugleich gesellschaftlich nützliche Arbeit tun. Sie würden sonst nämlich genauso wie profitgierige Kapitalisten von den Früchten der Arbeit anderer leben.
Kommentare
- Kommentar Jens (2007-03-11) ... und warum ich auch gegen das BGE bin:
- linke Oekonomen tragen das Konzept auch nicht(!) mit
- ich als Zahler wurde nicht gefragt ;-) .
bzw. weil ich
- eine solidarische Buerger(kranken- und Pflege-)versicherung
- einen Mindestlohn in der Bunten Republik
- ein neues ALG I und menschenwürdiges ALG II/ Sozialhilfe
- Arbeitszeitverkürzung für alle für Europa
- das Solidarische Einfachsteuerkonzept von attac, verdi und IG Metall
statt dessen wirklich auf der Agenda sehe!
- HGG: siehe auch meinen Bericht zur Veranstaltung mit Ronald Blaschke am 30.5.2007 und meine Kommentare zu verschiedenen Aufsätzen zum Thema unter http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare