Attac.DenkTankStelle.2012-07-02

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DenkTankStelle von Attac-Leipzig

Thema: Evolution – Revolution – Transformation
Ort und Zeit: Mo, 02. Juli 2012, 19 Uhr im Café Grundmann

Ankündigung

Die 89er Wende zeigt deutlich, dass die Bezeichung jäher Wendungen in der Geschichte als Revolution sehr vom Standpunkt des Betrachters und damit dem Storytelling abhängt, welches das eigene Leben begleitet. Wir hatten in einer Denktankstelle vor fast vier Jahren (im August 2008) bereits sehr kontrovers über das verwandte Thema Fortschritt diskutiert. Wer mag, der kann mehr dazu in diesem Wiki oder meinem Text "Wie geht Fortschritt?" (Juni 2010) nachlesen.

Bleibt allein Revolution als plötzliches Ereignis. Schauen wir also auf die jähen Wendungen der Geschichte, ob sie Evolution von Revolution scheiden. Aber hängt die Wahl aolcher Benennung nicht vom angelegten Zeittakt selbst ab? Ist nicht das, was aus einer Zeitraster-Perspektive als Evolution erscheint, in anderem Zeitraster eine - in diesem Sinne - Revolution? Setzt sich die technische Evolution nicht gerade durch Revolutionierungen der Technik durch (Kondratjew lässt grüßen!)?

Und wie ist es mit der Entwicklung der Menschheit? Ist das fahle Gelb der Oberfläche unseres Planeten, das in den letzten 10 Milli-JM (JM=Jahrmillion, Maßeinheit geologischer Prozesse) das bis dahin vorherrschende satte Grün ablöste und wohl mit den Aktivitäten vor allem einer der vielen Spezies zu tun hat, eine Evolution oder eine Revolution? Oder eine Explosion?

Und wenn wir in diesen 10000 Jahren Menschheitsentwicklung die kruden Veränderungen unserer kulturell-technischen Umwelt in den letzten 5% Jahren betrachten, die irgendwie in einem kleinen Territorium am Ostufer des Atlantik ihren Ausgang nahmen und sich blitzartig (was sind schon 500 Milli!) über den Globus ausbreitet haben, ist dies Revolution oder Explosion? Wir nennen es gewöhnlich "Kapitalismus". Kapitalismus also eine einzige "Revolution in der Menschheitsentwicklung"?

Und schauen wir gar auf das letzte 1% dieser Zeit, wo sich diese Spezies zahlenmäßig verzehnfacht und fast den ganzen Planeten leergefressen hat, ist dies Revolution, Evolution oder schlicht Katastrophe? Wie die "biologische Natur" mit solchen Katastrophen umgeht, muss ich nicht erläutern. Es wäre keine menschliche Lösung.

Was bedeutet aber nun Transformation in einem solche Spannungsfeld, steckt doch im Begriff selbst bereits eine gewisse Zielstrebigkeit und Planbarkeit, eine gemeinsame Anstrengung, die Welt nach einem (wessen?) Bilde zu formen. Eine "bessere Welt ist möglich"? Ist das allgemeine Verständnis dieser Attac-Losung angesichts der gerade vage skizzierten Herausforderungen nicht sogar kontraproduktiv?

Ich bin also gespannt, worüber wir denn eigentlich reden werden. Was bedeutet es also, die Vision einer

Vereinigung der Individuen (innerhalb der Voraussetzung der jetzt entwickelten Produktivkräfte natürlich), die die Bedingungen der freien Entwicklung und Bewegung der Individuen unter ihre Kontrolle gibt, Bedingungen, die bisher dem Zufall überlassen waren und sich gegen die einzelnen Individuen eben durch ihre Trennung als Individuen, durch ihre notwendige Vereinigung, die mit der Teilung der Arbeit gegeben, und durch ihre Trennung zu einem ihnen fremden Bande geworden war, verselbständigt hatten, (MEW 3, S. 75)

gar "die Kontrolle der eigenen Evolution als Entwicklungsziel der menschlichen Gesellschaft" (Mead, S. 296 ff.) praktisch zu verwirklichen?

Literatur:

  • Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Suhrkamp 1975.
  • Horst Müller: Marx, Mead und das Konzept widersprüchlicher Praxis. In: Zeitschrift für Soziologie, Jahrgang 12, Heft 2, April 1983. S. 119-138. Text
  • Rainer Thiel: Allmähliche Revolution. Tabu der Linken. Kai Homilius Verlag, Berlin 2010.
  • Rainer Thiel: Neugier - Liebe - Revolution. Verlag am park, Berlin 2011.

Hans-Gert Gräbe, 23.06.2012