WAK.AG-Diskurs.Schiedsverfahren.2010-04-19

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Antrag 02c-2009: Schreiben von Dr. Gottfried Rokita als Berichterstatter der LSK an den Antragsteller vom 19.04.2010

(Hervorhebungen wie im Original)

Lieber Genosse Professor Gräbe,

die Landesschiedskommission hat mich zum Berichterstatter in dem o.g. Verfahren bestimmt mit dem Auftrag, der Kommission einen Beschlussvorschlag über die Eröffnung eines Verfahren auszuarbeiten. Für die eingetretene Verzögerung entschuldige ich mich ausdrücklich, es mussten intern grundsätzliche Fragen geklärt werden. Soweit ich sehe, wird sie sich aber nicht schädlich auswirken.

Dein Antrag wirft eine Reihe von Fragen auf, die - obgleich regelungsbedürftig - in der Schiedsordnung nicht oder nicht ausdrücklich normiert sind, was zwingt, auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückzugreifen.

1. Die prinzipielle Zuständigkeit der Landesschiedskommission ergibt sich - worauf Du bereits selbst hingewiesen hast - aus § 4 Abs. 1 Schiedsordnung, wonach die Landesschiedskommission Streitfälle schlichten, wenn eine Schlichtung im Kreisverband gescheitert ist. Nach der Begründung Deines Antrags hattest Du einen gleichlautenden bereits bei der Schlichtungskommission des Leipziger Stadtverbandes eingereicht, der von dieser am 5.3.2009 mit dem Ergebnis behandelt wurde, dass die Kommission keine Möglichkeit zur Schlichtung dieses Verfahrens sehe. Das lässt sich durchaus so verstehen, dass die Schlichtung i.S.v. § 4 Abs. 1 Schiedsordnung "gescheitert" ist, obgleich es offenbar zu einem Schlichtungsversuch im eigentlichen Sinne, bei dem es darum geht, beide Seiten zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen, erst gar nicht gekommen ist. Die Kommission hatte gewissermaßen (vorzeitig?) die Waffen gestreckt. Für die Tätigkeit und Zuständigkeit der Landesschiedskommission hat dies die Konsequenz, dass sie nunmehr an die Stelle der Schlichtungskommission tritt.

2. Die Schlichtungskommission hat aber, wenn sie entscheiden muss, einen rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Sie ist nicht dazu berufen, (partei-)politische Fragen zu klären oder darüber zu beschließen, was parteipolitisch opportun ist. Sie muss deshalb Parteiorganen ihren Handlungsspielraum belassen. Dazu gehört auch, wie diese mit welcher Meinung in der Öffentlichkeit auftreten. Es dürft ohne weiteres einsichtig sei, dass in dem Fall, dass irgend ein Parteiorgan zum Afghanistan-Konflikt in einer Weise Stellung nimmt, die einem Parteimitglied missfällt, die Schieds- oder Schlichtungskommission nicht zulässigerweise angerufen werden kann um zu entscheiden, ob diese Äußerung mit dem Parteiprogramm vereinbar ist. Eine derartige Meinungsdifferenz lässt sich nicht rechtlich (!) schlichten. Das muss parteiintern (auf Parteiversammlungen oder Parteitagen) diskutiert werden. Vergleichbares gilt hier: Es ist gewiss Aufgabe eines dafür zuständigen Parteiorgans auf Pressemeldungen zu reagieren, welche DIE LINKE betreffen. Dafür steht ein Handlungsspielraum zur Verfügung, der von vornherein nur sehr begrenzt (rechtlich durch eine Schiedskommission) überprüft werden kann. Um zu verhindern, dass auf der einen Seite durch eine Verrechtlichung die politische Entscheidung unangemessen beengt, und auf der anderen Seite, die Schiedskommissionen nicht nur mit einer andernfalls möglichen Fülle von Verfahren sondern auch mit einer derartigen Aufgabe überfordert würden, muss die Antragsmöglichkeit (die "Antragsbefugnis") als durch die Satzung von vornherein begrenzt angesehen werden: Es muss eine besondere persönliche Betroffenheit eines Antragsstellers bestehen in der Form, dass dieser durch ein Verhalten, dass der Partei zuzurechnen ist, in einem seiner Mitgliedsrechte verletzt wird.

Ein Beispiel wäre, dass - als harmloserer Fall - etwa ein Ortsvorstand Sitzungstermine so bestimmt, dass ein gewähltes Mitglied ständig verhindert ist. Hier gäbe es etwas, das sich "schlichten" ließe; oder aber - schwerer wiegend - dass ein Parteiorgan ein Mitglied öffentlich angreift. Es muss aber dann diese Person selbst sich zu Wehr setzen, ein anderer - "Dritter" - kann das für diese nicht tun. Ein Schlichtungsverfahren ist deshalb nur dann zu eröffnen, wenn sich aus dem Antrag ergibt, dass ein Mitgliedsrecht des Antragsstellers selbst durch den Antragsgegner beeinträchtigt sein kann.

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Berechtigung einer derartigen Antragsbegrenzung wird gerade an dem vorgetragenen Sachverhalt exemplarisch deutlich, nach dem es um die Person von "M." geht. Würde das Verfahren eröffnet, dann müsste zwangsläufig auch dessen Biographie und damit dessen Person Gegenstand eines öffentlichen Verfahrens werden. Ich sehe keinen Weg, wie das möglich sein sollte, ohne in dessen Persönlichkeitsrecht - dieses verletzend - einzugreifen. Das - im Sinne des Antragsstellers - "günstigste" Ergebnis des Verfahrens, nämlich die Feststellung, dass bestimmte Parteimitglieder der Partei Schaden zugefügt haben, wäre erkauft mit einem Schaden, den das Verfahren notgedrungen M selbst zufügen müsste, und sei es nur in dem Sinne, dass er sich als Gegenstand öffentlicher Erörterung sähe mit all der damit verbundenen psychischen Belastung. Ohne dessen Kenntnis von dem Verfahren und damit gewissermaßen "hinter seinem Rücken" kann aber ein Schieds- bzw. Schlichtungsverfahren nicht rechtstaatlich betrieben werden. Damit würde sich das vom Antragsteller positiv Gewollte in sein Gegenteil verkehren.

3. Im übrigen wäre - ohne dass es darauf noch kommt - der Antrag in der gestellten Form zu weit und zu unbestimmt und damit nicht entscheidungsfähig.

Der Antrag ist "gegen den Stadtvorstand Leipzig und namentlich die Genossen Volker Külow und Sören Pellmann" gerichtet, beantragt wird eine Feststellung, welche das Vorgehen "der beteiligten Genoss/inn/en" betrifft. Da es sich aber bei Volker Külow und Sören Pellmann eindeutig um (männliche) Genossen handelt, soll die Feststellung ersichtlich noch weitere (weibliche) Genossinnen betreffen, die aber in der Antragsbegründung nicht genannt werden. Auch Volker Külow findet sich im weiteren Text nicht mehr, so dass sich nicht erkennen lässt, wem genau was vorzuwerfen ist. Der Stadtvorstand als Ganzes wird nur (S. 2 Mitte) im Zusammenhang mit einem an ihn gerichteten Brief von Herrn Reinhardt genannt, woraus sich jedoch kein "Vorgehen" eben dieses Stadtvorstandes erkennen lässt. Auch müsste genau bezeichnet und im einzelnen genannt werden, welches denn die "programmatischen Grundsätze der Linkspartei" sind, gegen die verstoßen wurde. Ein Antrag dieser Unbestimmtheit ist nicht entscheidungsfähig ("justiziabel"). Gleiches gilt für den zugefügten Schaden. Auch dieser müsste bereits im Antrag präzisiert sein.

4. Das "positiv Gewollte" des Antrags verstehe ich in dem Bestreben, Anhängern der extremen Rechten den Ausstieg aus dieser Ideologie und den damit verbundenen Beziehung und Geflechten zu ermöglichen und zu erleichtern und ihnen den Weg zu einer neuen politischen "Heimat" zu ebnen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Stadtvorstand mit einer derartigen Zielvorstellung einverstanden erklärt, die von Dir noch etwas präzisiert und - unabhängig von der Person von M. - formuliert werden könnte. Auf der anderen Seite muss man auch dem Stadtvorstand sein Interesse zugestehen, Schaden von der Partei abzuwenden. Dies könnte in folgender Formulierung zum Ausdruck gebracht werden: "Die LINKE kann aber nur für solche Personen eine neue politische Basis sein, welche die Abkehr von ihren früher vertretenen Positionen glaubhaft gemacht haben. Die Unterstützung von V-Leuten ist ausgeschlossen."

Dann würde sich ein formeller Beschluss über die Eröffnung des Verfahren erübrigen (er könnte nach der eingereichten Form des Antrags aus den genannten Gründen nur negativ ausfallen), die eigentliche Funktion der Schlichtung aber wäre erfüllt und dem "positiv Gewollten" des Antrags zum Erfolg verholfen.

Für die Landesschiedskommission

Rokita
Berichterstatter

Anlage - Stellungnahme des Stadtvorstands Leipzig vom 31.03.2010