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Das Naturkundemuseum in den Medien im Juni/Juli 2012

(ausgewählte Artikel - revers chronologisch)

09.07.2012 (LVZ):

Wetterfeste Naturfreunde
Museum feiert 100. Geburtstag / Blutspendeaktion noch bis zum Wochenende

Das Naturkundemuseum feierte am Sonnabend 100. Geburtstag. Und der Himmel weinte erst einmal tüchtig. Der überreichliche Lebenssaft für die Natur hatte dabei allerdings die Spender des menschlichen Lebenssaftes verschreckt. Dabei sollte gerade diese Benefiz-Aktion mit dem Haema-Blutspendedienst etwas Geld in die Kasse des Fördervereins fließen lassen, der bekanntermaßen dem Aderlass des Hauses Paroli bieten will.
"Wir sind schon froh, dass uns die Zelte nicht um die Ohren fliegen", kommentierte Fördervereinschef Michael Hardt den Verlauf des Festes kurz vor Ende der Regenzeit. Dass die Organisatoren bis dahin "ein bisschen unter uns" geblieben sind, wurmte ihn schon. "Wir wollten mit dem Aktionstag noch einmal Aufmerksamkeit erregen, Leipziger anlocken, ihnen einen Blick hinter die Kulissen erlauben und Spenden einwerben. Wir hatten auch die Stadtspitze eingeladen, um zu demonstrieren, dass Interesse besteht und Engagement da ist."
Wer sich an die Stände vorm Museum gewagt hatte, konnte sich davon überzeugen. Beispielsweise hatten die Mitglieder der Ortsgruppe "Astrophytum" in der Deutschen Kakteen-Gesellschaft um Vereinsvorsitzenden Konrad Müller nicht nur ihre schmucken T-Shirts übergestreift, sondern auch allerlei stachelige Schönheiten zum Bestaunen und Kaufen mitgebracht. Die 1923 gegründete Gruppe hatte sich bis zur Teilschließung des Hauses immer im Saal getroffen. "Jetzt quetschen wir uns ins Zimmer vier", sagte Peter Täschner und betonte: "Wir sind schon sehr mit diesem Haus verbandelt, und wünschen ihm, dass die Politik endlich den Willen erkennen lässt, hier etwas vorwärts zu bringen." Raum vier ist mittlerweile auch Treffpunkt für die 24 Mitglieder des Fotoclubs 58, die eine Auswahl ihrer Arbeiten im Gang ausgestellt hatten. "Das traurige Wetter passt richtig zur Situation des Museums", bedauerte Vereinschef Michael Ranft.
Während sie alle im Freien die Fahne des Naturkundemuseums hochhielten, zeigte Museumsdirektor Rudolf Schlatter drinnen immer zur vollen Stunde Jung und Alt seine Schätze, wie den Riesenalk, der präpariert für die Nachwelt überlebte und nun erneut in eine ungewisse Zukunft blickt.
Die Hoffnungen der Akteure und Besucher zum "100.", brachte Peter Täschner auf den Punkt: "Ich wünsche dem Haus und mir, dass noch für die Enkel meiner Enkel in diesem Museum Natur erlebbar wird." (Cornelia Lachmann)

Bis Sonnabend kann Blut fürs Museum gespendet werden in den Haema Blutspendezentren am Markt 9 sowie den Gohlis-Arkaden. Pro Spende fließen 15 Euro an den Förderverein.

Stimmen
Lars Zeisler, 33, Koch: "Ich kenne das Museum seit der Schulzeit. Es ist eine Schande, dass es unter den Einsparungen leiden muss. Wir sind gekommen, weil sich unsere Tochter Katharina für Natur begeistert."
Kathrin Laue, 52, OP-Schwester: "Ich bin mit meinem Sohn Ralf hier, der sich für Pilze interessiert. Schade, dass das Wetter heute nicht mitspielt. Wir waren früher oft hier in der Ausstellung."
Hermann Nieper, 47, Tierarzt: "Ich bin heute mit meiner Tochter Eva im Museum. Es ist eine tolle Einrichtung, um Natur zu veranschaulichen. Es wäre unverantwortlich, so ein Haus zu schließen."
Katharina Krefft, 33, Ärztin: "Das Museum war für uns stets Ziel bei schlechtem Wetter. Meine Deborah könnte durchs Haus führen. Als Grünen-Stadträtin wünsche ich ihm weitere 100 Jahre an diesem Platz."
Michael Bauer, 38, Geschäftsführer: "Zugegeben, ich war noch nie hier. Aber heute wollte ich mit meiner Frau Daniela für den guten Zweck Blut spenden. Sie ist oft mit unseren Töchtern hier gewesen."
Erna Ludwig, 86, Rentnerin: "Ich bin Jung-Leipzigerin, kenne das Museum daher noch nicht. Eine Führung mit dem Hausherrn lasse ich mir da doch nicht entgehen. Auch die Stände im Freien will ich besuchen."


09.06.2012 (Bild):

Vom Aussterben bedroht
Rettet Mammut-Skelett unser Naturkundemuseum?

Leipzig – Die Reste des 130 000 Jahre alten Urviehs liegen im Magazin des Völkerkundemuseums: Backenzahn, Wirbel und Fußknochen. Kann das Mammut von Borna wieder zum Publikumsliebling werden?
Vor hundert Jahren war das Riesen-Exponat die Leipziger Sensation im Grassimuseum. Das riesige Tier war über fünf Meter lang und 3,20 Meter hoch, zum Todeszeitpunkt nur etwa 25 Jahre alt. Allein der Stoßzahn hatte einen Durchmesser von einem halben Meter. Seine Spitze ragte am 14. Dezember 1908 aus einer Lehmgrube am Wyhra-Ufer, wo ein Ziegelmeister an jedem Tag sein Material abbaute.
Was er zunächst für einen Ast hielt, entpuppte sich als Jahrhundert-Sensation, die im Herbst 1911 komplett rekonstruiert der staunenden Öffentlichkeit präsentiert wurde!
„Doch seit der Bombennacht im Dezember 1943 konnte das Mammut nie wieder gezeigt werden“, erzählt Museumschef Rudolf Schlatter (64). „Damals wurde es zerstört, nur Einzelteile konnten gerettet werden.“ Säuberlich nummeriert und verpackt liegen die nun in zwei Kisten.
Trotzdem gibt es Chancen, das Mammut-Puzzle wieder zusammenzusetzen. Der Leipziger Paläontologe Dr. Johannes Felix (1859-1941) hatte das Bornaer Skelett millimetergenau vermessen. „Mit seinen Untersuchungen und moderner Computertechnik gibt es Chancen“, so Schlatter.
Denn im Eiszeit-Museum Bordesholm bei Kiel steht ein ähnliches Mammutskelett. Im ersten Schritt könnte das elektronisch vermessen, daraus ein Datensatz erstellt werden. Dieser würde mit Hilfe der Messungen von Dr. Felix so verändert, dass er dem Bornaer Original nahe kommt. Schlatter: „Daraus könnten die Knochenrepliken hergestellt werden.“
Geschätzte Kosten: 170 000 Euro. Teuer, aber theoretisch finanzierbar – schließlich geht's um einen großen Schatz, der das Naturkundemuseum vorm Aussterben bewahren könnte.


09.06.2012 (Leipziger Amtsblatt):

Kleines großes Jubiläum
100 Jahre naturkundliche Dauerausstellung und ein Amberbaum mit Symbolkraft

200 Gäste zählte die Presse am 5. Juni 1912, als die erste Dauerausstellung des „Naturkundlichen Heimatmuseums zu Leipzig“ Eröffnung feierte. Beheimatet in einem Flügel des ehemaligen Gebäudes der Dauernden Gewerbeausstellung am Tröndlinring 1, zeigte die Schau Lebensräume von Pflanzen und Tieren der Leipziger Tieflandsbucht. Dioramen und ergänzende Dokumentationen setzten die Objekte in Szene.
Das Museum an sich war damals schon sechs Jahre alt. Seine Gründung geht auf den Biologen, Politiker und Pädagogen Emil Adolf Roßmäßler zurück, der die Naturwissenschaftliche Vereinigung des Lehrervereins e. V. von der Wichtigkeit einer solchen naturkundlichen Bildungsstätte mit einem als Sammlung angelegten „Archiv der Natur“ zu überzeugen wusste.
Dieses Ziel hat an Aktualität wenig eingebüßt und deshalb ist der die Zukunft des Museums absichernde Masterplan bereits von der Stadt beauftragt. Im IV. Quartal 2012 soll er vorliegen.
Derzeit muss das Museum jedoch mit der Einschränkung einer geschlossenen Dauerschau leben, und das große Jubiläum wird nur klein und improvisiert gefeiert.
So lädt der Förderverein am 7. Juli zu einem Museumsfest vor die Lortzingstraße 3 ein.
Am eigentlich denkwürdigen 5. Juni widmeten Unterstützer und Wegbegleiter dem Haus einen amerikanischen Amberbaum. Dieser schon im Tertiär vorgekommene Baum steht vor dem Haus und hat Symbolkraft, denn das Braunkohlezeitalter der Region sollte in einem „Leipziger Naturkundemuseum der Zukunft“ lebendig werden.


08.06.2012 (LVZ):

Revolution im Naturkundemuseum
Der Leipziger Lehrerverein stellt ab 1912 Vielfalt der Natur in Dioramen aus

Wer heute von der Energiewende spricht, den Klimawandel stoppen will und sich für den Naturschutz einsetzt, kommt an einer Leipziger Einrichtung nicht vorbei: dem Naturkundemuseum. Es vermittelt seit nunmehr 100 Jahren die Zusammenhänge zwischen Flora und Fauna, zwischen Menschen und ihrer natürlichen Umgebung sowie zwischen Klima und Entwicklung der Ressourcen.

Als das Naturkundemuseum 1912 seine Pforten öffnet, ist es deutschlandweit eine Sensation. Denn nirgends, außer hier, werden die ökologischen Zusammenhänge so deutlich präsentiert und werden Lebensgemeinschaften ausgestellt. Sammlungen von Insekten, von Vögeln und Säugetieren gibt es in zahlreichen Naturkundemuseen, doch in Leipzig legen die Gründer den Schwerpunkt auf die Vielfalt, die Biotope, wie man heute sagen würde. "Das war eine Revolution", sagt Rudolf Schlatter, der seit 1993 Leiter des Museums ist.
Vor allem der erste Leiter, der Volksschullehrer Richard Buch, legt Wert darauf, alle naturkundlichen Bereiche und deren Schnittpunkte abzubilden. Botanik, Geologie, Zoologie und auch die Entstehung der Braunkohle werden in ihren gegenseitigen Beeinflussungen gezeigt. Dabei spielt die regionale Naturkunde eine herausragende Rolle.
Schon Jahre vor der Eröffnung hatte der Naturwissenschaftler und Politiker Emil Adolf Roßmäßler (siehe Straßenerklärung) in einem Artikel im Leipziger Tageblatt ein Museum dieser Art gefordert. Am 2. Januar 1859 schrieb er anlässlich der Fertigstellung des Museums für Bildende Künste: "Die eine der drei Schwestern, Kunst, Wissenschaft und Gewerbe, erfreut sich nun eines würdigen Tempels. Die andern zwei verlangen und verdienen auch Berücksichtigung. Der Unterzeichnete wagt es, sich zu ihrem Anwalt aufzuwerfen. ( ) Es bleibt aber meines Dafürhaltens dennoch auch für die Wissenschaft eine Pflicht zu erfüllen übrig, und zwar für diejenige Seite derselben, welche sich der Erforschung der Natur zuwendet. ( ) Das Museum der Universität kann die Stadt von einer Verpflichtung nicht entbinden, welche derselben nach gewiß vieler Auffassung von wahrer Bildung obliegt, von der Verpflichtung der Gründung eines Landes-Museums für vaterländische Naturgeschichte und Industrie." Doch eine Umsetzung zu seinen Lebzeiten gibt es nicht. Erst 47 Jahre später, anlässlich Roßmäßlers 100. Geburtstags, startet die "Naturwissenschaftliche Vereinigung" des Leipziger Lehrervereins einen Neuversuch. Doch auch nach dem Beschluss der angehörenden Mitglieder dauert es noch einmal sechs Jahre, bis ein solches Museum tatsächlich eröffnet werden kann. Zu sehen sind die zusammengetragenen Sammlungen zunächst in einem Flügel der Dauernden Gewerbeausstellung am Tröndlinring - auf etwa 93 Quadratmetern. 200 Gäste sind bei der Eröffnung im Juni 1912 dabei und "des Lobes voll", wie das Buch "Pro Natura - 100 Jahre Naturkundemuseum Leipzig" vermerkt. Auch die Zeitungen widmen sich in umfangreichen Beschreibungen dem neuen Museum. So schreibt die Leipziger Gerichtszeitung in ihrer Ausgabe am 8. Juni 1912: "Wenn man die zahlreichen Gegenstände, die ausgestellt sind, besichtigt, merkt man erst, daß man an vielem, was die Natur in ihrer ewigen Schöpfungskraft bietet, viel zu oberflächlich vorübergeht."
1923 platzt der Raum aus allen Nähten, eine andere Lösung muss her. Schon lange verhandelt der Lehrerverein mit der Stadt, doch erst das Angebot einer Bank, in die Räume am Tröndlinring einzuziehen und die Kosten für den Umzug des Museums zu übernehmen, bringen die Sache ins Rollen. Die Kosten belaufen sich wegen der Weltwirtschaftskrise und der Inflation auf rund neun Millionen Mark. Neuer Standort ist von nun an die II. Höhere Bürgerschule. Nach der Neueröffnung 1924 berichtet auch die Leipziger Volkszeitung am 20. Februar: "Das Museum hat eine Anzahl Vitrinen bekommen, deren Inhalt leicht auswechselbar ist. Es verspricht, je nach der Jahreszeit aktuelle Auslagen zu machen: die nun bald wiederkehrenden Zugvögel, die ersten Frühlingsblumen, die Fauna und Flora unserer stehenden und fließenden Gewässer."
Vor allem Schulklassen profitieren von den neuen Räumen. Waren es 1923 noch 233 Klassen, die ihren Unterricht ins Museum verlegen, sind es ein Jahr später mehr als 800.

Von der Sensation ist heute nichts mehr übrig, dabei beherbergt das Museum noch immer wahre Schätze, zeigt aber nur im Erdgeschoss die Dauerausstellung zur Tierpräparation. Die Fläche dafür ist genauso groß wie die der ersten Schau am Tröndlinring! Das Engagement für das Museum beschränkt sich derzeit auf das der Mitarbeiter und des Fördervereins. Das sah zur Zeit der Gründung vollkommen anders aus.

Mit den Dioramen schaffte das Naturkundemuseum eine Sensation: Die Tiere wurden in ihrem Umfeld dargestellt.
Das Diorama der Eisvögel ist eines der ältesten im Naturkundemuseum, das in diesem Jahr 100 Jahre alt wird. Das Schaubild konnte bereits bei der Eröffnung des Museums 1912 noch am alten Standort in der Dauernden Gewerbeausstellung am Tröndlinring gezeigt werden.

Leipziger Köpfe
Vom Volksschullehrer zum hauptamtlichen Museumsleiter

Der Tagesablauf von Richard Buch hatte es wirklich in sich: morgens Zeitungen lesen und schauen, "ob sie Nützliches oder Ärgerliches" über das Naturkundliche Heimatmuseum enthielten, mittags Arbeit im Museum an seiner Käfersammlung, an wissenschaftlichen Abhandlungen und an Vorträgen, nachmittags Hausbesuche bei befreundeten Naturwissenschaftlern, beschreibt Susanne Köstering in ihrem Beitrag "Balancieren zwischen Wissenschaft und Wirklichkeit: Zur historischen Ausstellungspraxis des Leipziger Naturkundlichen Heimatmuseums im Kaiserreich". Zudem war Buch Lehrer.
Mit der Eröffnung des heutigen Naturkundemuseums vor genau 100 Jahren übernahm Buch die Leitung dessen. Dafür wurde er später vom Schuldienst freigestellt. Bereits während seiner Lehrtätigkeit half er mit, ein Museum für Naturkunde aufzubauen, seine Interessen beruhten auf Zoologie, Biologie, Geologie und Heimatforschung. Buch war Mitglied in der Leipziger Naturforschenden Gesellschaft, im Entomologenverein (Insektenkunde) und in der Ornithologischen Gesellschaft. Kein Wunder, dass zu seinen Freunden diejenigen gehörten, die gleichermaßen engagiert waren. "Diese Tatsache bestätigt die von der historischen Forschung herausgestellte große Bedeutung der Natur-Vereine für die naturwissenschaftliche Kultur des 19. Jahrhunderts", schreibt Köstering weiter. Mit Herzblut hing Buch an seiner Arbeit und schaffte es, bereits zur Eröffnung 1912 eine Vogelsammlung mit mehr als 200 Präparaten zu zeigen. Hatte er doch zuvor bei Stadträten und Direktoren anderer Museen mit Erfolg um Unterstützung geworben. Wie Köstering weiter schreibt, hatte Buch eine "umwälzende Entwicklung vom Volksschullehrer und Hobby-Entomologen zum Museumsleiter" durchgemacht.

"Behaarte Strohsäcke auf Pfoten"
Herman H. ter Meer revolutioniert die Kunst der Tierpräparation und schafft das Ausstopfen ab

Ja, schon die alten Ägypter wollten Tote länger leben lassen. Um sozusagen die unendliche Existenz eines Lebewesens wahr zu machen, wurde Menschen und auch Tiere mumifiziert. Bis auf das Herz wurden alle inneren Organe entnommen, zum Einbalsamieren nutzten die Ägypter Salböle, in Harz eingelegte Leinenbündel, Honig und Sägespäne. Damit war der Grundstein für die heutige moderne Tierpräparation gelegt.
Der Begriff des Ausstopfens von Tieren dürfte dann im Mittelalter aufgekommen sein, denn in der Zeit wurden Tiere so präpariert, wie es der Begriff schon sagte. Tierhäute wurden mit Stroh oder anderen trockenen Materialien gefüllt und anschließend zugenäht. Für die Ewigkeit waren die Präparate dann jedoch nicht, denn oft wurden sie von Insekten zerfressen.
Später dann wurden Gerüste aus Holz oder Eisenstangen gefertigt, die dann mit Füllmaterialien wie Holzwolle, Heu oder Seegras ausgestopft wurden. Hinterher wurde die Haut aufgezogen.
Der Tierpräparator Jacobus Thomas ter Meer - die Familie stammte aus den Niederlanden - suchte ab Mitte des 19. Jahrhunderts nach einer noch besser geeigneten Methode, denn das Ausstopfen verhinderte lebensechte Formen und brachte "fremdartige, unförmige und behaarte Strohsäcke auf Pfoten" hervor, wie Christine Becker in ihrem Buch "Wie ein zweites Leben. Der Tierbildner Herman H. ter Meer" aus einer niederländischen Zeitschrift zitiert.
Herman H. ter Meer war der Enkel von Jacobus Thomas und ab 1907 Inspektor am Zoologischen Institut der Universität Leipzig. Er verfeinerte die Methode seines Großvaters immer weiter und gilt heute als bedeutender Wegbereiter für die moderne Tierpräparation, auch Taxidermie genannt. Ter Meer, dessen Vorfahren fast alle Präparatoren waren, entwickelte eine spezielle Modelliermasse, die auf das hölzerne Grundgerüst aufgetragen wurde. Erst dann folgte die gegerbte Haut. Bereits sein Vater hatte das versucht, und auch andere Präparatoren suchten nach Möglichkeiten, die Modelle lebensechter erscheinen zu lassen. Ter Meer gelang mit seiner Masse quasi der Durchbruch. Er fand 1894 die perfekte Zusammensetzung aus Torfgrus, Kleister und Gips.
Die Masse erfüllte die Anforderungen vollständig: sie trocknete schnell und gut, aber riss und schrumpfte bei klimatischen Veränderungen nicht. Durch sie war es möglich geworden, Muskeln, Sehnen und Körperbau detailgetreu nachzubilden. Für den Präparator lag der Vorteil darin, dass sich die Masse auch nach dem Trocknen gut bearbeiten ließ. So entstanden Dermoplastiken, die weltweit Aufmerksamkeit bei internationalen Museen, aber auch bei Privatmenschen erregten. Schon kurz nach seiner Entdeckung erhielt er Aufträge von Hundeliebhabern. Um auch dem Umfeld der zu präparierenden Tiere gerecht zu werden, hatte ter Meer lange Zeit Verhalten, Bewegung und Lebensweise der Tiere studiert.
Die Häute erhielt der zugezogene Leipziger von Museen und von Jägern. Vorlagen für seine Arbeiten lieferten Fotografien und Tierzeichnungen. Ter Meer legte vor allem Wert darauf, Dioramen zu schaffen, also Tiere als Gruppe in ihrem Lebensraum darzustellen. Das zog Scharen an Museumsbesuchern an und passte hervorragend zum Konzept des Naturkundemuseums.
Noch heute beherbergt das Museum eine Vielzahl von Dermoplastiken, die ter Meer erschaffen hatte

Das Ausstopfen von Tieren ist lange Vergangenheit. Heute ist Tierpräparation eine Kunst, für die es sogar Weltmeisterschaften gibt.

Trennung von Kirche und Staat in Schulen
Die LVZ erklärt Straßen- und Brückennamen. Heute: Roßmäßlerstraße

Emil Adolf Roßmäßler hatte sein Leben lang ein Ziel: naturkundliche Bildung sollte für jeden zugänglich sein. Daher verwundert es nicht, dass er mehrere Berufe hatte: Roßmäßler war Biologe, Autor naturwissenschaftlicher Bücher, "Volksbildner", wie er sich selbst bezeichnete, und Politiker.
Mit gerade einmal 21 Jahren bekam er die Möglichkeit, eine Grundschule im thüringischen Weida zu übernehmen, und hier sammelte er auch die ersten Erfahrungen auf den Gebieten der Botanik und Zoologie. Mit 24 Jahren dann war er bereits Professor der Zoologie an der Königlich Sächsischen Akademie für Land- und Forstwirte in Tharandt. Für Roßmäßler ging es beruflich sozusagen Schlag auf Schlag. Kurz nach seiner Berufung dorthin erschien sein Buch "Systematische Übersicht des Tierreiches", das unter anderem einen von ihm selbst gezeichneten Bilderatlas enthielt - "ein Lehrbuch, das an der Akademie ein Novum war", wie Rudolf Schlatter, seit 1993 Leiter des Naturkundemuseums, in einer Kurzbiographie schreibt.
Einen wichtigen Schritt in der Biologie erreichte Roßmäßler mit dem Antrag zur Schaffung einer international gültigen Nomenklatur aller bis dahin bekannten Tier- und Pflanzennamen.
Wie Schlatter bemerkt, entwickelte Roßmäßler in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts ein hohes Interesse an bildungspolitischen und sozialen Fragen. Mit der Revolution 1848 wurde er in das Frankfurter Parlament gewählt und Mitglied des Schulausschusses. Er trat in dieser Funktion "für eine Trennung von Kirche und Staat sowie eine Stärkung des Volksschulwesens und der allgemeinen Volksbildung ein", schreibt Schlatter. In zahlreichen späteren Vorträgen prangerte er oft den Bildungsnotstand in Schulen und in der Gesellschaft an.

Hüterin der Weichtiere
Stadtleben-Serie: Verborgene Schätze aus Leipziger Museen

Wer als Besucher durch die Leipziger Museen schlendert, kann nur einen winzigen Teil der Bestände in Augenschein nehmen. Die meisten Objekte ruhen in den reich gefüllten Magazinen und kommen nur selten ans Licht. In loser Folge stellen wir deshalb ausgewählte Sammlungsstücke vor.
Heute: Die Wirbellosen-Sammlung von Hildegard Zeissler aus dem Naturkundemuseum.

Kisten voller mehr oder weniger grauer und gelber Schneckenhäuser, gläserne Röhrchen mit filigran beschrifteten Etiketten, Muscheln in Pappkartons - für Laien ist diese Sammlung auf den ersten Blick wenig spektakulär. Keine exotisch geformten Meerestiere, keine zauberhaften Farbspiele. Doch was Ronald Schiller, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Wirbellosen-Zoologie am Leipziger Naturkundemuseum, da in seinen Händen hält, ist ein ganz besonderer Schatz. Ihn hat Hildegard Zeissler (1914 bis 2006) in fünf Jahrzehnten zusammengetragen und damit die Welt der einheimischen Weichtiere dokumentiert. Über 250 wissenschaftliche Veröffentlichungen über Schnecken und Muscheln gingen daraus hervor.
Hildegard Zeissler kam als Tochter eines Textilkaufmanns in Leipzig zur Welt, absolvierte eine kaufmännische Lehre und wurde schließlich Grundschullehrerin. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Pädagogin arbeitete sie in der Bibliothek des Leipziger Naturkundemuseums. "Solche Kombinationen waren damals durchaus üblich", weiß Schiller. Am Museum lernte Zeissler den Museumshandwerker Walter Neustadt kennen, der sich mit Weichtieren beschäftigte. Von ihm angeregt startete sie Anfang der fünfziger Jahre die ersten Sammelaktionen - beispielsweise gingen ihr am Scherbitzer Tümpel Sumpfdeckelschnecken ins Netz.
Ihre Arbeit im Schuldienst musste sie kurz darauf aus gesundheitlichen Gründen quittieren und ging ans Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte nach Weimar. Gleichzeitig studierte sie an der Leipziger Universität Biologie, im Jahre 1970 promovierte sie über Schnecken und Muscheln aus dem Pleistozän. In Weimar wechselte sie schließlich ans Institut für Quartärpaläontologie. Zeissler interessierte sich brennend für die Welt der Weichtiere - ganz gleich, ob es sich dabei um fossile Fundstücke oder eben erst aus einem Teich gefischte Arten handelte. Mit enormem Fleiß war sie diesen oft unscheinbaren Tieren auf der Spur. Immerhin konnte sie in Sachsen 203 Arten von Schnecken und Muscheln nachweisen. Insgesamt finden sich in der Sammlung etwa 400 Arten und 5200 einzelne Proben. Die meisten wurden in Form von Schneckenhäusern oder Muschelschalen bewahrt, Nacktschnecken schwimmen in mit Alkohol gefüllten Behältnissen.
Zahlreiche Exemplare sammelte Zeissler an Orten, die mittlerweile dem Tagebau zum Opfer gefallen sind, auch vor Jahrzehnten ausgetrocknete Tümpel im Leipziger Auwald nutzte sie für ihre Streifzüge. Einige Arten brauchen mehrere Jahre für ihre Entwicklung und sind auf durchgehend wasserführende Orte angewiesen. "Diese gehören deshalb oft zu den hochbedrohten Arten", weiß Schiller.
Zeissler war eine in der Fachwelt hoch geschätzte Expertin. "Sie hielt auch in den Jahren der deutschen Teilung immer Kontakt zu ausländischen Wissenschaftlern", betont Schiller. "Ihre Arbeiten ermöglichen wertvolle Rückschlüsse auf den Landschafts- und Klimawandel." Zeisslers Leistung sei jedoch außerhalb von Fachkreisen kaum bekannt, obwohl ihr immerhin 2003 das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen wurde.
"Doch nur durch die im Stillen geleistete Arbeit von Menschen wie Hildegard Zeissler können wir heute über aktuelle Veränderungen in der Tier- und Pflanzenwelt sprechen", so Schiller.
Über 50 Jahre lang habe sich die Wissenschaftlerin den Schnecken und Muscheln gewidmet, noch bis kurz vor ihrem Tod betreute sie ehrenamtlich die Weichtiersammlung des Naturkundemuseums, katalogisierte und bestimmte Arten. "Das war eine wahre Sisyphusarbeit."
Immerhin finden Weichtiere mittlerweile in der Region viel bessere Lebensbedingungen. Die Flüsse wurden seit Anfang der neunziger Jahre sauberer. Schiller: "Kleingärtner können mit Tümpeln, einem Brennnesselsaum oder einer wilden Ecke für viele Tierarten etwas tun."
Bert Endruszeit


06.06.2012 (LVZ):

Naturkundemuseum erhält Amberbaum
Förderverein lädt am 100. Geburtstag zu improvisierten Festakt an den Goerdelerring

Aus dem Holz des amerikanischen Amberbaumes wurden einst Wünschelruten gefertigt. Es mag Zufall sein, dass der Förderverein des Naturkundemuseums gerade für diesen Baum die Patenschaft übernommen hat. Das passierte am gestrigen 5. Juni - exakt 100 Jahre nach Eröffnung des Naturkundlichen Heimatmuseums zu Leipzig im Gebäude der ehemaligen Gewerbeausstellung am Tröndlinring 1 - in einem eher improvisierten Festakt. Der Amberbaum soll nun viele Jahrzehnte am Goerdelerring gedeihen. Ob das Museum - seit 1924 in seinem jetzigen Gebäude - dort verbleibt, ist hingegen offen. "Wir kämpfen weiter!", hatten Mitglieder des Fördervereins auf kleine Kärtchen geschrieben, die per Luftballon in den Himmel geschickt wurden.

"Das Museum gehört zu unserem Kapital - vor allem die historische Sammlung", betonte auch Uni-Professor Christian Wirth, der das Deutsche Zentrum für integrierte Biodiversitätsforschung leiten wird. Wie berichtet, wird das von den Universitäten in Leipzig, Halle und Jena sowie sieben außeruniversitären Instituten und dem hiesigen Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) betriebene Zentrum seinen Sitz in Leipzig haben. Im Herbst bezieht es in der Biocity am Deutschen Platz sein Quartier, später entsteht an der Alten Messe ein Neubau. "Der Standort Leipzig bekommt dann ein ganz anderes Gewicht. Und ein modernes Naturkundemuseum gehört für mich einfach dazu", so Wirth. "Ich hoffe, dass wir es bald in aller Pracht der Weltöffentlichkeit präsentieren können."
Das betont auch Ökolöwe Nico Singer: "Wir können nur die Natur schützen, die wir kennen." Deshalb werden die Umweltvereine und Verbände darauf drängen, dass die Zukunft des Museums bald geregelt wird und den Worten Taten folgen. Derzeit erarbeiten Susanne C. Meyer (Berlin) und Peter Gössel (Bremen) für den Stadtrat ein Konzept für die Neuausrichtung des Museums. Das soll bis Herbst/Winter 2012 vorliegen. Dabei werden das ehemalige Bowlingzentrum, ein Neubau sowie bisherige Gebäude als mögliche Standorte untersucht. "Wir liegen im Zeitplan - es wird sehr intensiv an einem Zukunftskonzept fürs Naturkundemuseum gearbeitet", sagte Susanne Kucharski-Huniat, die Kulturamtsleiterin.
Sie vertrat Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Kulturbürgermeister Michael Faber (parteilos), die zur gestrigen Veranstaltung ebenfalls eingeladen und um ein Grußwort gebeten worden waren. Doch die Einladung kam, wie es intern im Rathaus hieß, offenbar zu kurzfristig. Hinzu kommt: Die Dienstberatung der Verwaltungsspitze am Dienstag sei ein feststehender Termin. "Ein Flug nach China würde ich als Entschuldigung akzeptieren", sagte Michael Reinhardt vom Arbeitskreis Naturkundemuseum.
Der Förderverein, sagte der Vorsitzende Michael Hardt, will für den 7. Juli noch ein Straßenfest vor dem Museum organisieren. Vielleicht ist bis dahin auch das erste und zweite Obergeschoss der geschlossenen Dauerschau für kleine geführte Gruppen nach Anmeldung wieder zugänglich? Dazu müssen noch das Treppenhaus auf der Westseite von sechs Schränken mit Tierpräparaten befreit werden und eine Freigabe vom Bauordnungsamt erfolgen.
Mathias Orbeck

Kommentar: Kein Grund zum Feiern?
Von Mathias Orbeck

Das Stadtgeschichtliche Museum feierte im November 2011 seinen 100. Geburtstag. Das Bildermuseum wurde im Dezember 2008 stolze 150 Jahre alt. Beides war der Stadt Leipzig einen Festakt wert. Beim Naturkundemuseum ist das anders. Da muss der Förderverein einspringen, damit der 100. des Stiefkindes der Leipziger Museumslandschaft nicht gänzlich in Vergessenheit gerät.
Weder Museum noch Kulturdezernat haben dafür Geld. Sie schaffen es auf Druck vieler Leipziger gerade, die Sonderschau im Erdgeschoss für Besucher offenzuhalten. Der Rest des Hauses ist seit Monaten gesperrt. Das ist schon ein Trauerspiel und eigentlich wirklich kein Grund zum Feiern. Ein Baum spricht jedoch für neues Leben. Deshalb besteht Hoffnung, dass die Neukonzeption des Museums doch noch zu einem guten Ende kommt. Die Stadtoberen haben Glück, dass der Förderverein darauf verzichtete, eine Trauerweide auszuwählen.