LEX.Schuelerakademie.2010-03-23

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23.03.2010 - Hochschule für Telekommunikation Leipzig

Was der Gang verrät. Zur Ganganalyse in Tradition und Moderne in der Sportstadt Leipzig.

Eine Veranstaltung der Leipziger Schülerakademie

Mit Dr. Wolfgang Eisenberg,

Bericht

Was der Gang eines Menschen verrät, das hängt vom Beobachter, seinen Beobachtungsmitteln (Auge, Kamera) und der Ganganalyse (Wissenschaft, Computersimulation) ab. Wie die Technik und die Wissenschaft hat die Ganganalyse Tradition und Moderne, wie die Sportstadt Leipzig auch.

Im Jahre 1836 gelang dem Physiker Wilhelm und dem Physiologen Eduard Weber die erste wissenschaftliche Ganganalyse: die Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge. Die Pendeltheorie enthält eine verblüffend einfache Gehformel. Der Leipziger Mathematiker Otto Fischer konnte zusammen mit dem Anatom Wilhelm Braune in der „Bibel“ der Ganganalyse „Der Gang des Menschen“ (1895-1904) diese Pendeltheorie physikalisch erweitern und den Muskelantrieb anteilig beim zweibeinigen Gang des Menschen bestimmen.

Diese europaweit gewürdigten Ergebnisse der Ganganalyse in Leipzig und dazu die sportorganisatorischen Gründungen des ATV (1848) und des DFB (1900) prägten langfristig die wohl einmalige Tradition der Sportstadt Leipzig. Leipzigs universitäres Institut „Medizinische Physik und Biophysik“ und das IAT in Leipzig knüpfen noch heute konzeptionell an diese wissenschaftliche Tradition an. In diese Traditionslinie gehören auch Arbeiten von N. A. Bernstein (Schüler des Nobelpreisträgers I. P. Pawlow) zur Bewegungsphysiologie (Basis: neue Aufnahmetechniken der Ganganalyse).

Der Präsident der ASG, Dr. Wolfgang Eisenberg, demonstrierte sodann das von ihm 1995 im Wissenschaftszentrum Leipzig e.V. mitanalysierte Dreifachpendel, erläuterte dazu die moderne systematische Ganganalyse (J. Perry, USA) und das moderne, heutige Ganglabor (Videos, Hochgeschwindigkeitskameras, biomechanische Computersimulation). Interessant ist dabei auch, dass O. Fischer, der schon vor hundert Jahren im Ergebnis seiner Ganganalyse auf das Dreifachpendel als geeignetes Modell hinwies, zudem auch der Direktor des Leipziger Petri-Gymnasiums war. In diesem historischen Kontext nutzte der Referent daher auch einfache Modelle des Schulwissens, um das so wesentliche Gleichgewichtsproblem des Zweibeiners Mensch und die Spar-Energetik seines Ganges den Schülern verständlich zu machen.

Die Hörer der Leipziger Schülerakademie lauschten gespannt der werbenden videogestützten wissenschaftlichen Analyse des so alltäglichen „Latschens“ im Sinne des Nobelpreisträgers Albert Einsteins: So einfach wie möglich, so genau wie nötig. Historisch interessant ist dabei, dass die Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit aus elektromagnetischen Messungen von W. Weber und F. Kohlrausch wesentlich zur Identifizierung des Lichtes als elektromagnetische Erscheinung und damit zur Einsteinschen Begründung der Relativitätstheorie beigetragen hat. Einsteins Formel E = m·c² (Energie-Masse-Äquivalenz) gilt heute als wesentlich bedeutsamer als Webers Gehformel, obwohl diese in der damaligen Zeit ähnlich spektakulär war.

Dr. Roland Boran, Leipziger Schülerakademie

Leipzig, den 31. März 2010