APRIL-Argumentation-09-2006

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Kein Ausverkauf der Stadt!
Leipzig braucht ein kommunales Energieversorgungsunternehmen!

Seit längerer Zeit wird in Leipzig diskutiert, kommunale Unternehmen zu veräußern, um den städtischen Haushalt zu sanieren. Ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten steht auch die Stadtwerke Leipzig GmbH (SWL).

Jede Kommune steht in der Verantwortung, die Grundversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger mit sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Dienstleistungen zu sichern. Dazu gehören Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, der Personennahverkehr, die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die Wohnraumversorgung, die Abfallwirtschaft und die Energieversorgung.

Warum braucht Leipzig eine Energieversorgung in kommunaler Hand?

Die kommunale Energieversorgung hat eine lange Tradition in Leipzig. Vor mehr als 100 Jahren erwarb die Stadt Leipzig von der Firma Siemens die Energieversorgungsanlagen, weil sie mit der Art und Weise der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger durch das Privatunternehmen nicht zufrieden war. Seit 14 Jahren ist Leipzig wieder im Besitz des Unternehmens und konnte bei der Abarbeitung des enormen Investitionsstau aus DDR- Zeiten selbst bestimmen, in welchem Umfang und welcher Reihenfolge die Netze und Anlagen, aber auch Neuinvestitionen wie z.B. die Gas- und Dampfturbinenanlage in der Eutritzscher Straße getätigt werden. Seit 1998 führen die SWL regelmäßig Überschüsse an den Haushalt der Stadt Leipzig bzw. an die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (LVV) ab.

So wird mittels dieser Gewinne (seit 2002 auch von der Kommunalen Wasserwerken Leipzig GmbH), nunmehr ohne weiteren Zuschuss aus der Leipziger Stadtkasse, der Nahverkehr über den steuerlichen Querverbund innerhalb der LVV gestützt. Auch im letzten Jahr floss der vollständige Gewinn (53,8 Millionen Euro) von den SWL über die Holding LVV in den Leipziger Personennahverkehr. Durch die beständige Investitionstätigkeit der SWL und den Bedarf des Unternehmens selbst gingen im letzten Jahr an die mittelständische Wirtschaft der Stadt und des Umlands Aufträge in Höhe von knapp 56 Millionen Euro . Dadurch werden neben den 1.050 Arbeits- und den jährlich 150 Ausbildungsplätzen bei den Stadtwerken auch ca. 870 Arbeitsplätze in der Region gesichert.

Bringt ein Verkauf der SWL für die Bürgerinnen und Bürger niedrigere Energiepreise?

Die Strommarktöffnung 1996 in Deutschland - also die Sicherstellung des freien Marktzugangs für jedes Energieunternehmen und letztlich die Möglichkeit für die Endverbraucher, sich einen Lieferanten ihrer Wahl zu suchen - brachte tatsächlich für kurze Zeit niedrigere Preise auch für den Privatkunden. Nachdem der Markt aber mehr oder weniger in den Händen von vier großen Energiekonzernen aufgeteilt war, stiegen auch die Preise wieder. Denn es gab keine Notwendigkeit mehr, Zugeständnisse an den Verbraucher zu machen, um Markteinfluss zu gewinnen. SWL hat einen nur geringen Schwankungen unterworfenen Privatkundenstamm – eben im Leipziger Stadtgebiet. Daher gibt es für einen (Anteils-)Erwerber keine Notwendigkeit, einen niedrigeren Strompreis anzubieten. Bei nationalen Preisvergleichen, ob nun im Gas- oder im Strombereich, liegen die Stadtwerke Leipzig im oberen Bereich. Das haben die Leipzigerinnen und Leipziger deutlich zu spüren bekommen. Die Gewinne, die auch aus diesen Preisen resultieren, kommen allerdings auch den Leipzigerinnen und Leipzigern wieder über den Weg der Stützung des Leipziger Nahverkehrs zugute. Und dies ist der entscheidende Unterschied zu einem privaten Investor für die Stadtwerke. Die Gewinne aus dessen Anteil fließen aus der Stadt ab in die Kassen von Konzernzentralen und sind für den kommunalen Haushalt und den Nahverkehr verloren.

Welche Erfahrungen gibt es aus den bereits erfolgten Anteilsverkäufen der SWL?

Zweimal hatten die Stadtwerke einen weiteren Anteilseigner. Letztlich überwogen die Nachteile aus einem intensiven Abstimmungsaufwand und aus einer verzögerten oder sogar blockierten strategischen Ausrichtung (hier besonders das Engagement der SWL auf dem polnischen Markt) den Vorteil, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der international und in mehreren Sparten aufgestellt ist. Die Hoffnung auf 250 neue Arbeitsplätze für Leipzig, vom Anteilserwerber Mitteldeutschen Energie AG vertraglich zugesichert, erfüllten sich nicht. Die im Jahr 2001 geplante Fusion der SWL mit der enviaM hätte sogar Arbeitsplätze in Leipzig vernichtet.

Wir würde sich ein (Anteils-)Verkauf auf den Verbund mit der Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH (LVB) und der Kommunalen Wasserwerke GmbH (KWL) sowie den kommunalen Haushalt auswirken?

Mit einem Wegfall des Gewinnanteils der SWL wäre der jetzige Verkehrsleistungs-finanzierungsvertrag, aus dem die Nahverkehrsleistungen der LVB für die Bürgerinnen und Bürger finanziert werden, in Frage gestellt. Taktzeitenverlängerung, Linienkürzung, Umstellung von Bahn auf Bus – kurz: Verschlechterungen für die Nutzerinnen und Nutzer des Nahverkehrs wären die Folge. Denn KWL als gewinnbringendes Unternehmen innerhalb der Holding kann den bisher gemeinsam mit SWL aufgebrachten Betrag nicht allein erwirtschaften.

Dabei sollte jedem klar sein, dass eine Verschlechterung/ Verteuerung des Nahverkehrs-angebotes auch Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen - mehr PKW-Verkehr - und damit auf die Lebensqualität in der Stadt und auf die sogenannten weichen Standortfaktoren hat.

Daneben hat die Holding LVV bereits den Rückkauf der SWL- Anteile im Jahr 2003 finanziert. Diese 199 Millionen Euro mussten als Darlehen aufgenommen werden. Bei einem erneuten Verkauf von SWL- Anteilen soll der Erlös dem Leipziger Haushalt zukommen. Das Darlehen bei der Holding würde nicht abgelöst werden und muss weiter mit Zinsen und später mit Tilgungen bedient werden. Auch das müsste von KWL und LVB und den „Resten“ von SWL erarbeitet werden. Der gesamte Firmenverbund wäre in der Gefahr, sich zu überschulden.

Durch Verkauf kommunalen Eigentums fließt dem Haushalt kurzfristig eine Menge Geld zu. In keinem der aus anderen Kommunen bekannten Fälle hat dies zu einer dauerhaften Sanierung geführt. Die finanziellen Probleme wurden nicht einmal kurzfristig, geschweige denn mittelfristig gelöst.

Das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben ist in den meisten Kommunen aus dem Lot, auch weil ihnen immer mehr Aufgaben ohne Gegenfinanzierung übertragen werden. Die strukturellen Haushaltsprobleme lassen sich daher nachhaltig nur durch eine Reform der Gemeindefinanzen lösen. Ein einmaliger Verkaufserlös kann an diesem Grundproblem nichts ändern. Die Notwendigkeit der Haushaltsaufstellung für das nächste Jahr kommt in jedem Fall, und dann gibt es nicht noch einmal die Möglichkeit des Verkaufs.

Es bleibt festzustellen: Durch Verkäufe öffentlichen Eigentums werden Probleme nicht gelöst, sondern neue geschaffen und Handlungsspielräume eingeengt!